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Hast du schonmal gesehen wie die Zeit rückwärts läuft?

Alea Wobbe

Die glücklichen Gewinner des Schreibwettbewerbs „Leben in der Quarantäne“. 

Jede*r Gewinner*in erhält einen Buchgutschein über 40 Euro.


Vor einigen Jahren, ist das Corona Virus ausgebrochen. Das Virus ist nach über fünf Jahren immer noch in vollem Gange und ich wurde auserwählt um zu verhindern, dass es ausbricht. Es klingt vielleicht verrückt, aber ich werde ins Jahr 2020 geschickt um zu verhindern, dass so viele Menschen sterben. Wir haben unsere besten Leute verloren… wobei Trump… er war keiner der Besten, geschweige denn der Guten. Naja >>Rest in Peace<< wie man so schön sagt. Aber das wird nicht lang anhalten, denn ich werde alle Menschen retten, indem ich verhindere, dass Covid-19 überhaupt ausbricht! Naja ich kann nicht verhindern, dass Corona ausbricht, aber ich werde versuchen, dass niemand sterben muss. Jetzt also fünf Jahre später, haben wir endlich ein Gegenmittel gefunden. Aber es sind zu viele Menschen gestorben. Viele haben ihre Eltern, Großeltern oder Freunde verloren. Ich habe schon irgendwie Angst… was ist, wenn ich diese vielen Menschen nicht retten kann? Was ist, wenn ich die anderen Menschen anstecke, nur weil ich infiziert bin und es nicht weiß? Aber ich gehe schließlich nicht allein. Ich weiß nur noch nicht ob ich das super oder eher super schrecklich finden sollte. Einer der anderen mit der Zeitreisen-Gabe kommt mit mir zurück nach 2020 und… naja du kennst ja inzwischen unseren Auftrag. Ich stand bereits am abgemachten Treffpunkt mit der Uhr die uns nach 2020 bringen würde, wobei mein Begleiter zu spät kam. Wie immer. „Dann gehe ich wohl allein“, sagte ich und wollte schon an der Uhr drehen, da hörte ich rennende Schritte. Ich drehte mich um und sah wie Ben noch ein letztes Mal an seinem Joint zog. Ich rollte mit den Augen. „Das wurde ja auch Zeit.“, sagte ich und versuchte genervt zu wirken, was mir grandios misslang. Er sah wahnsinnig komisch aus. Er trug dieselbe Beanie die er an seinem 10. Geburtstag 2020 getragen hatte also genau vor fünf Jahren. Ben hatte ein viel zu enges T- Shirt an und er trug abscheuliche rote Sneaker und halt seine weiße Beanie. „Wow.“, sagte ich und musste schmunzeln. „Sag nichts. Ich weiß, dass ich toll aussehe.“, sagte er und streife sich die Beanie zurecht und man sah seine ungekämmten Haare daraus gucken. Ich lachte und schüttelte den Kopf. „Ich könnte einfach petzen, dass du kiffst das weißt du hoffentlich oder?“, sagte ich und blickte auf den am Boden liegenden Joint, den Ben inzwischen ausgetreten hatte. Er grinste und sagte: „Natürlich weiß ich das, aber das würdest du ja niemals tuen oder Maya?“ „Nein wahrscheinlich nicht, aber du hättest es verdient.“, sagte ich und blickte zu ihm hoch. Er lachte. „Okay. Wollen wir los, oder willst du weiter in mein gutaussehendes Gesicht starren?“, fragte er mich und er gab mir einen Kuss auf die Stirn. Ich lächelte. Ich wollte nicht verträumt wirken also drehte ich an der Uhr. „Übrigens“, begann ich. „Happy Birthday.“ Er nickte schnell bevor es uns aus der Gegenwart riss. Nachdem ich die richtige Zeit eingestellt hatte, drehte sich die Uhr im Affenzahn gegen den Uhrzeigersinn. Unsere Umgebung sah so aus als würden wir Achterbahn fahren. Mir wurde ein wenig schwindelig, aber ich schüttelte es schnell ab, da ich nichts verpassen wollte. Plötzlich standen Ben und ich in meinem alten Kinderzimmer. Es war niemand da, abgesehen von meinem Hund Oskar. Inzwischen war der Golden Retriever den ich zu meinem zehnten Geburtstag bekommen hatte relativ groß geworden, aber hier war er noch ein Welpe. Der kleine Hund sah uns verdutzt an. „Was machen wir hier?“, fragte Ben und sah mindestens genauso verwirrt aus wie Oskar. „Ich weiß nicht… irgendetwas ist schief gelaufen…“, sagte ich und merkte, dass wir wohl am falschen Ort gelandet waren. „Wieso sind wir bei dir und nicht dort wo das Virus ausgebrochen ist?“, fragte Ben ein zweites Mal und wirkte ein wenig angespannt, was ich total verstehen konnte. Ich warf einen Blick auf die Uhr in meiner Hand. „Ben…“ „Ja?“ „Wir sind im Jahr 2021…“, sagte ich und spürte wie ein Schwall von Beunruhigung sich in mir breit machte. Ich drehte ein weiteres Mal an der Uhr, doch wir blieben wo wir waren. „Maya… wieso passiert nichts?“, fragte Ben und schien inzwischen angespannter als ich. Plötzlich hörte ich Schritte. Ben hatte sie wohl auch gehört und zog mich in meinen Kleiderschrank. Durch einen Spalt zwischen den Schranktüren warf ich einen Blick nach draußen. Ich sah meine Oma Emily, sie war 2021 an Corona gestorben und es war komisch sie zu sehen. Es musste einer ihrer letzten Tage gewesen sein. Ich konnte mich allerdings nicht mehr daran erinnern sie 2021 gesehen zu haben. Sie kam in unsere Richtung und ich rutschte aus Reflex an die Wand. Ben sah mich erschrocken an, da er auch vom Tod meiner Großmutter Emily gewusst hatte. Auf einmal wurde die Schranktür geöffnet und ich sah in das vertraute, liebevolle Gesicht meiner Großmutter. „Na endlich! Wisst ihr wie lange ich auf euch gewartet habe?!“, fragte sie. Ich konnte nichts anderes tun, als sie anzustarren und Ben schien es genauso zu gehen. „Was meint ihr wer euren Zeitsprung angehalten hat?“, sagte sie nach einer Weile. Sie lächelte mich an. „Hallo Maya.“, sagte sie und mir stiegen Tränen in die Augen. „Du bist so groß geworden. Eine Schande, dass ich das nicht mehr miterleben werde.“, sagte sie und hatte ebenfalls Tränen in den Augen. Ben sah abwechselnd von mir zu meiner Oma als er schließlich das Wort ergriff: „Ich störe ja ungern euer Wiedersehen, aber wir haben eine Aufgabe zu erledigen und Sie haben uns aus dem Sprung gerissen! Was machen Sie eigentlich hier? Woher wissen Sie, dass wir hier sind? Und woher wissen sie, dass sie nicht mitbekommen werden, wie Maya aufwächst?“ Ben wirkte aufgebracht und wieder konnte ich seine Aufregung verstehen ich wollte ebenfalls Antworten. Ich sah meine Großmutter fragend an. „Du hast dich nicht verändert Ben. Du bist immer noch sehr nervig und vor Allem neugierig.“, sagte sie ruhig und grinste Ben an, der das anscheinend überhaupt nicht lustig fand. „Bitte beantworte seine Fragen Oma.“, sagte ich, da wir wirklich keine Zeit mehr hatten. „Ihr seid langweilig.“, sagte sie mit einem Lächeln. Sie hatte mir so gefehlt. Sie und ihre freche Art. Sie steckte so voller Leben. „Ich habe euren Sprung unterbrochen, weil eure Mission dämlich ist. Ihr könnt nicht verhindern, dass das Virus ausbricht! Ihr könnt nicht einfach in die Zeit eingreifen! Das ist viel zu gefährlich. Ihr könntet entdeckt werden“, sagte sie nach einer Weile. „Und ich bin hier, weil ich euch das sagen wollte.“, sprach sie weiter. „Und ich weiß, dass ich nicht mehr lange hier bin, weil ich wie ihr eine Zeitreise Uhr habe.“ Ben und ich sahen sie verdutzt an. „Moment. Sie sind wie wir?“, fragte Ben langsam, da er anscheinend die Informationen noch verarbeiten musste. „Ja das wollte ich damit sagen. Und Ben ich bitte dich, höre auf mich zu siezen. Ich fühle mich ohnehin schon alt.“, erwiderte meine Großmutter locker. Wie konnte sie ruhig bleiben? Sie wusste, dass sie bald sterben würde und es war ihr egal? Großmutter Emily schien meinen Gedanken erraten zu haben und sagte: „Ich weiß, dass ich bald sterben werde. Dagegen kann ich nichts machen. Und ich versichere euch, dass ich mich nicht in Selbstmitleid ertränken werde. Und außerdem, seid ihr ja jetzt hier und wenn ihr das Virus aufhaltet dann bleibe ich am Leben.“ „Ja, aber das haben sie… äh ich meine… das hast du ja eben verhindert, indem du den verdammten Sprung gesprengt hast!“, brüllte Ben. Er schien völlig verzweifelt zu sein. Wieso nur? Machte er sich so viele Sorgen um die Allgemeinheit? Oder hatte er auch jemanden verloren? Also wenn ja, dann hatte er mir das nie erzählt. „Ihr dürft nicht gesehen werden! Was ist, wenn ihr euren Freunden über den Weg lauft? Ihr würdet die Vergangenheit durcheinanderbringen.“, rief meine Oma Ben entgegen. „Bitte seid nicht so laut! Was ist, wenn uns jemand hört?“, flüsterte ich. Wenn sie weiter so herumschrien, würde noch jemand hochkommen. „Sonst hört man mir ja nicht zu! Ich will, dass diese vielen Menschen die gestorben sind zurückkommen. Keiner von ihnen hat den Tod verdient. Ganz besonders nicht…“, er brach ab. „Wer Ben?“, fragte ich sanft und nahm seine Hand. „Mein Bruder…“, sagte Ben und starrte ins Leere. „Er hatte sich all die Jahre um mich gekümmert nachdem unsere Eltern und unsere Schwester gestorben waren. Er hatte das nicht verdient…“, sagte er und man sah wie sehr er mit den Tränen kämpfte. „Wir holen ihn zurück“, erwiderte ich und schloss ihn in meine Arme. Er hatte also wirklich jemanden verloren. Warum hatte Ben mir das nicht erzählt? Ich wusste ja, dass er einen Bruder hatte, aber nicht, dass er tot war. Ich hielt ihn noch eine ganze Weile fest, als er sich von mir löste und sagte: „Also Emily wie lautet dein Plan?“ „Ich hatte gehofft, dass du das fragst.“, sagte meine Oma und grinste. Etwa eine Stunde später befanden Ben meine Großmutter und ich uns im Februar 2020. Es war nicht ganz die Zeit die ich besuchen wollte, aber nah dran. „Ok. Ich werde den komischen Professor ablenken, während ihr beiden Süßen das Heilmittel mit dem >>Rezept<< platziert. Und bitte lasst euch nicht erwischen. Die Zukunft steht auf dem Spiel…“, flüsterte Großmutter Emily als wir vor dem Labor standen. Wir versteckten uns hinter einem Werbeplakat, aber ich war mir sicher, dass jemand uns bereits entdeckt hatte. „Kapiert?“, fragte meine Oma und sah mich und Ben erwartungsvoll an. Wir nickten schnell und da drehte sich Oma Emily auch schon um und steuerte auf den Professor zu. Kaum war sie angekommen, bekam sie einen >>Anfall<< und wie erwartet rief er seine Kollegen aus dem Labor zur Hilfe. „Komm mit.“, wisperte Ben und zwinkerte mir zu. Ich lächelte ihn an, doch als ich merkte wie verträumt ich ihn mal wieder anstarrte, rannte ich zur Tür des Labors. Als wir die Tür vorsichtig hinter uns geschlossen hatte, sahen wir uns um, ob wirklich alle bei meiner Großmutter waren und ihr >>halfen<< und ein Glück, waren wir allein. „Da!“, rief Ben ein bisschen zu laut und deutete auf eine Station auf der >>COVID-19<< stand. Wir hasteten zu der Station und ich suchte in meiner Tasche nach dem Heilmittel. Ich fand es nicht. Ich suchte und suchte und fand es nicht. „Es ist weg.“, sprach ich meinen Gedanken laut aus. „Und was ist das?“ fragte Ben lachend und holte das Heilmittel aus meiner Jackentasche. „Ouh.“, sagte ich und ich könnte mich selbst ohrfeigen. Wie peinlich. Er grinste mich an und wandte sich wieder dem Heilmittel zu. Er legte das Mittel zusammen mit einem Zettel den er soeben aus seiner Hosentasche gezogen hatte auf der Arbeitsfläche ab. „So und jetzt nichts wie weg aus 2020.“, flüsterte Ben und ich nickte. Ich konnte es kaum erwarten wieder nach Hause zu kommen. Ich holte die Uhr aus meiner Tasche und im nächsten Moment befanden wir uns wieder dort, wo wir hergekommen waren.

Es war keine Zeit vergangen, seit wir gesprungen sind. Das war ja das tolle an unserer Gabe, wir konnten uns außerhalb von Raum und Zeit bewegen. Wir machten uns auf den Weg zu Ben, um zu sehen, ob sein Bruder zuhause war. Als wir durch Tür traten war es dunkel. Als Ben den Lichtschalter betätigte sprangen unsere Familien hinter dem Sofa hervor und riefen: „ÜBERRASCHUNG!“ Ich begann zu lachen und Ben fiel in mein lachen ein.

Jetzt wo alles wieder beim Alten ist, ist mein Leben so ziemlich perfekt. Meine Großmutter ist von den Toten auferstanden, meine Familie ist glücklich, mein Freund hat seinen Bruder wieder und ich bin zufrieden. Aber jetzt frage ich Dich…
Hast du schon einmal gesehen wie die Zeit rückwärts läuft?