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Veränderungen

Veränderungen 

von J. Koberstein

 

Maddi

 „Maddi, Maddi, steh endlich auf du faules Stück“, ruft meine Mutter lachend. Vorsichtig öffne ich meine Augen und blicke direkt in die grünen Augen meiner Mutter. Sie lächelt mich an und zeigt mir meinen Wecker. „Mist verschlafen“, entfährt es mir. Sie lacht. „Zieh dich an. Ich mach dir ein Brot“. Mit den Worten packt sie meinen Arm und zieht mich hoch. Dabei bleibt ihr Blick an meinem Arm hängen. Sie wird immer traurig, wenn sie meine von Narben übersäten Arme sieht. Sie kann mir nicht helfen, keiner kann das. Schnell stehe ich auf und schmeiße mir einen großen, schwarzen Pulli über. Ich liebe diesen Pulli. Schnell ziehe ich mir noch eine Jeans über und gehe ins Bad. Während ich mir meine kurzen blonden Haare käme, ruft meine Mutter schon nach mir. Sie hat mir ein Brot gemacht, doch da ich nicht gerne esse, nehme ich es in die Hand und verlasse das Haus. Draußen wartet schon mein kleiner Nachbar Paul, seine Eltern gehen früh aus dem Haus und machen ihm daher nichts zum Frühstück. Ich reiche ihm mein Brot, stecke meine Kopfhörer in die Ohren, spiele meinen Lieblingssong und gehe zur Schule.  Ich habe noch knapp fünf Minuten, also fange ich an zu laufen. Kaum betrete ich die Schule, liege ich schon bäuchlings auf dem Boden. Als ich hochschaue, erblicke ich in die vor Lachen verzerrten Gesichter von Lexa und Justin, dem It-Paar der Schule. Justin ist der Kapitän des größten Fußballvereins in der Gegend und Lexa ist das schönste und durch Justin auch das beliebteste Mädchen der Schule. Es klingelt, also stehe ich auf und packe meine Sachen, die beim Sturz verstreut wurden, zusammen und gehe in die Klasse. Ich setze mich in die erste Reihe, da dort die Gefahr nicht so groß ist, dass sich jemand neben mich setzt. Dann kommt Herr Thomson in die Klasse und alle verstummen. Kaum dreht unser Lehrer uns den Rücken zu, merke ich wie alle über mich reden, aber ich verstehe es. Vor den Ferien war alles gut, dann starb mein Vater und alles ging bergab. Durch meinen Sturz ist mein Ärmel hochgerutscht und alle konnten meine Narben und frischen Wunden sehen. Aber ich schäme mich nicht für sie, denn sie zeigen mir, dass ich noch lebe. „Ruhe“, ruft Herr Thomson in die Klasse, „unterhalten könnt ihr euch nach der Stunde“. Alle werden wieder ruhig und Herr Thomsen fährt fort: „Für die nächsten Stunden wird es eine Partnerarbeit geben, die ihr aber auch in eurer Freizeit erledigen müsst. Sonst werdet ihr nicht fertig“. Partnerarbeit na super, ich drehe mich um und blicke direkt in Max’ braune Augen, die mich fragend ansehen. Wir waren mal ein Paar, aber dann kam Justin und Max veränderte sich, das hielt ich nicht aus und verließ ihn. Er meint er liebt mich noch, was wohl auch der Grund für seinen auffordernden Blick ist. Doch bevor ich mich entscheiden kann, verkündet Herr Thomson, er würde die Teams wählen. „Pia & Max, Celine & Justin, Ma…“, da unterbricht ihn Justin was ihm wohl einfällt ihn mit Celine und nicht mit Lexa einzuteilen. Doch Herrn Thomson stört es nicht und er spricht seelenruhig weiter. „Herr Müller, beruhigen sie sich, es wird sich nichts ändern. Sie werden eh nicht mitmachen wie ich sie kenne und Lexa verdient auch mal eine gute Note. Bei Celine bin ich mir sicher, dass wenigstens etwas abgegeben wird.“ Die Klasse fängt an zu lachen. „Ruhe, ich würde gerne weitermachen. Also Maria und Leon, Sam und Calli, Isabell und George, Tom und Cleo, Luna und Sebastian und zum Schluss Lexa und Maddi.“ Gerade als ich etwas erwidern will, unterbricht Herr Thomson mich mit den Worten „Akzeptieren oder 6“. Also schlucke ich mein Entsetzen runter und setze mich zu Lexa. Da es eine Projektprüfung ist, dürfen wir das Thema frei wählen. Ich will nicht direkt streiten, also lasse ich Lexa wählen. Sie entscheidet sich für das Thema Mode. Wir besprechen noch kurz, dass wir uns morgen um zehn Uhr bei ihr treffen. Es klingelt, alle gehen raus, nur ich bleibe in der Klasse. Noch vier Stunden, denke ich, dann ist Wochenende.

Tagebuch (1)

Liebes Tagebuch, ich bin es Lexa,

heute war mal wieder viel los, wie soll es auch anders sein. Mein Leben ist ein Scherbenhaufen, aber kein weiß es. Mama war heute Morgen wieder komplett dicht, sie wusste nicht mal wer ich bin und hat mit Tellern nach mir geschmissen. Aber es ist okay, sie ist krank und irgendwann wird die Sucht sie umbringen. Ich vermisse Papa. Wie konnte er mich nur alleine lassen? Na ja, egal, anderes Thema. Heute hat die Schule angefangen, ja es ist Freitag und macht wenig Sinn, ist aber so. Justin war auch mal wieder… naja er war er. Heute hat es Maddi, ein Mädchen aus meiner Klasse getroffen. Ich finde sie komisch und hab es geschehen lassen. Justin hat ihr ein Bein gestellt und sie ist voll hingeflogen. Es war göttlich. Dann rutschte ihr Ärmel hoch und frische Wunden kamen zum Vorschein. Ich würde gerne wissen, warum sie es tut, aber an sich ist es mir auch egal, soll sie sich ruhig verunstalten, dieses ritzende, Psycho Mädchen. In der Klasse haben alle über sie geredet, sie ist einfach -  peinlich komisch, nicht mal schminken tut sie sich. Und dann kam der Schock, ich soll meine Projektprüfung mit ihr machen…mein Lehrer spinnt, aber was soll es, ändern kann ich es leider nicht. Vielleicht finde ich ja was raus, um sie fertig zu machen. Aber jetzt muss ich aufräumen, die Bierflaschen stehen überall herum und Maddi darf das niemals erfahren. Keiner darf das! Warum ich sie eingeladen habe, verstehe ich im nach hinein auch nicht mehr. Ich schreibe dir morgen wieder, wenn sie weg ist.

Maddi

Es ist schon 9 Uhr, also mache ich mich schnell fertig um zu Lexa zu fahren. Ich habe irgendwie Angst, ob sie wohl privat anders ist? Na ja, mal sehen, ich trage einen schwarzen Pulli und eine lockere Jeans. Schnell ins Bad und dann geht es schon los zu ihr. Vor ihrer Tür bleibe ich stehen. Ich merke wie die Panik in mir steigt, doch jetzt ist es zu spät. Also gehe ich zur Tür und klingle. Wenig später macht sie auf und wow sie sieht so gut aus. Sie merkt wie ich sie anstarre und fragt ob was nicht stimmt, doch um mich nicht zu blamieren, sage ich nur „ich mag deine Hose, sie steht dir echt gut die solltest du öfter tragen“. „Danke, komm doch rein, mein Zimmer ist oben die zweite Tür links, geh schon mal vor“, erwidert sie. Gesagt, getan. Ihr Zimmer ist klein, aber gemütlich. In der Mitte steht ein großes Bett, hinten steht ein Kleiderschrank und daneben ihr Schminktisch. Ich setze mich auf den Stuhl vor ihrem Schreibtisch, der direkt neben der Tür steht. Kaum sitze ich, kommt Lexa ins Zimmer. Ich frage sie, ob sie sich schon Gedanken gemacht hat und was ihr Plan ist. Sie sagt: „Ich finde du solltest was zum Thema Sommermode 2021 schreiben und ich fertige eine Skizze an von Teilen die „in“ sind. Ist das okay für dich?“ Ich sage ja und wir setzen uns auf ihren grauen Teppich vor ihrem Bett. Ich beginne zu recherchieren, während Lexa beginnt zu zeichnen. Wow denke ich, sie ist wirklich talentiert. Auf einmal werden wir von lautem Geschrei gestört. „Lexa, wo bist du, komm sofort hier her“ ruft Lexas Mutter von unten. Lexa sieht mich fragend an. „Geh ruhig, ich komme klar“, sage ich und widme mich wieder dem PC. Doch konzentrieren kann ich mich nicht, denn von unten kommt lautes Geschrei. Wörter und Sätze wie: “Du faules Stück, verpiss dich, du warst ein Fehler“. Und viele mehr dröhnen durchs Haus, dann klirrt es. Was da wohl passiert ist, frage ich mich, doch wirklich Zeit darüber nachzudenken habe ich nicht, denn auf einem mal stürmt Lexa die Treppe hoch und verschwindet im Badezimmer. Zögerlich stehe ich auf um zu ihr zu gehen, denn keiner verdient es, so runtergemacht zu werden. Vorsichtig klopfe ich an die Tür und versuche mit ihr zu reden. „Hey Lexa alles in Ordnung? Was war das eben? Bitte mach die Tür auf, ich mache mir Sorgen. Ich…“ da öffnet sie die Tür. Ihre Augen sind ganz rot und die Tränen fließen über ihr schönes Gesicht. „Verschwinde“, sagt sie zu mir, doch ich werde nicht gehen, ich mache das Gegenteil. Vorsichtig mache ich einen Schritt auf sie zu und nehme sie in den Arm. Zuerst weigert sie sich es zuzulassen, doch dann bricht sie zusammen. Ich halte sie ganz fest und versuche sie zurück auf die Beine zu holen. Als mir das gelingt, bringe ich sie ins Zimmer und lege sie auf ihr Bett. Vorsichtig decke ich sie zu und als ich gehen will, greift sie meine Hände. Sie schaut mich mit ihren gläsernen blauen Augen an und ich verstehe, sie will nicht alleine sein. Also gehe ich zurück zum Bett und lege mich neben sie. Zögerlich legt sie ihren Kopf auf meine Brust. Während ich ihr sanft den Rücken kraule, beginnt sie sich zu beruhigen und schläft ein. Es fühlt sich toll an, so neben ihr zu liegen, doch das Projekt muss fertig werden. Also hebe ich leicht ihren Kopf an, um aufzustehen, dann fällt mein Blick auf meinen Pulli, der voller Makeup ist. Ich ziehe ihn aus und wasche ihn mit Wasser. Da er nass ist, lasse ich ihn im Bad und gehe nur mit BH bekleidet zurück ins Zimmer. Ich weiß nicht, wie lange ich jetzt schon an dem Projekt schreibe, aber inzwischen habe ich drei Seiten Text. Ich höre Geräusche hinter mir und drehe mich um. Lexa ist wach und schaut mich verlegen an. Dann fällt ihr Blick auf meine Arme. An die hatte ich gar nicht mehr gedacht, als ich meinen Pulli auszog. Es war mir unangenehm und ich versuchte sie zu verstecken, gar nicht so leicht ohne Oberteil. Lexa bemerkt wie ich mich fühle, steht auf und wirft mir einen Pulli aus ihrem Schrank zu. Dankend sehe ich sie an und zieh den Pulli drüber. „Komm her“, sagt Lexa und klopft auffordernd neben sich aufs Bett. Ich stehe auf und gehe zu ihr. Ich habe heute genug geschafft. „Danke“ sagt Lexa lächelnd. Dann nimmt sie meinen Arm und streift langsam den Ärmel hoch, ich weiß nicht, was sie vorhat aber ich lasse es geschehen. Vorsichtig fährt sie mit ihrem Zeigefinger jede Narbe ab, dann sieht sie mich an und fragt „Warum?“. Ich schaue sie unsicher an, dann beginne ich zu erzählen, vom Tod meines Vaters und seinem schlimmen Autounfall. Von den Schmerzen, die ich im Inneren fühle und vom Mobbing. Beim Reden muss mir wohl eine Träne die Wange runter gelaufen sein, denn sanft streicht Lexa sie weg und nimmt mich in den Arm. Ich fühle mich sicher, dieses Gefühl ist neu für mich, aber ich mag es. Ich löse mich aus der Umarmung und fordere sie auf auch etwas über sich zu erzählen. Dann fängt sie an, sie spricht über ihre alkoholkranke Mutter, über ihren Vater, der sie verlassen hat und über die toxische Beziehung zu Justin. Dann fällt mein Blick auf die Uhr, es ist schon 19 Uhr. „Ich muss los“, sage ich und stehe auf. Sie bringt mich noch zur Tür und kurz bevor ich das Haus verlasse, packt Lexa meinen Arm, zieht mich an sich und küsst mich. Ich erstarre kurz, doch als ich realisiere was gerade passiert, merke ich das Kribbeln in meinem Bauch und erwidere ihren Kuss. Wir verabreden uns für Montag nach der Schule und ich starte den Weg nach Hause. 

Tagebuch (2)

Liebes Tagebuch, 

Maddi war eben hier und irgendwie hat sie mich überrascht. Ich trug heute die schwarze Jeans, die ich nicht gerne trage, da ich mich darin dick fühle und Maddi hat mir direkt ein Kompliment zur Hose gemacht. Dann haben wir an unserem Projekt gearbeitet, was irgendwie Spaß gemacht hat. Na ja jedenfalls bis meine Mutter mich rief und ich den Fehler beging runter zu gehen. Sie war wieder richtig voll und sehr aggressiv, erst kamen Beleidigungen, dann flog Geschirr. Ich rannte hoch ins Bad, damit Maddi mich nicht weinen sieht, doch es war wohl schon zu spät. Kurz danach kam sie zur Tür und klopfte, weil sie sich Sorgen machte. Als ich die Tür öffnete, reagierte sie anders als ich dachte, sie lachte mich nicht aus und ignorierte die Anweisung zu verschwinden. Stattdessen, nahm sie mich einfach in den Arm. Mit so viel Nähe hatte ich nicht gerechnet und brach zusammen. Sie brachte mich in mein Zimmer und wir kuschelten bis ich auf ihrer Brust einschlief. Als ich aufwachte, saß Maddi an unserem Projekt, sie hatte es fast alleine fertiggemacht, sowas war ich nicht gewohnt. Dann fiel mir auf, dass sie nur einen BH trug, ihr Oberteil habe ich wohl versaut. Dann fiel mein Blick auf ihre Wunden und Narben, was ihr wohl unangenehm war, weswegen ich ihr einen Pulli von mir gab. Dann setzten wir uns auf mein Bett und redeten. Sie erzählte mir wie ihr Vater starb und warum sie begann sich zu ritzen. Dann erzählte ich ihr von meiner Mum und von Papa… und auch Justin kam zur Sprache. Sie verurteilt mich nicht und irgendwie fühlte ich mich bei ihr sicher. Dann musste sie los und zum Abschied küsste ich sie. Es fühlte sich einfach richtig an. Montag sehen wir uns wieder. 

Getäuscht?

Es ist Montagmorgen, eigentlich hasse ich den Montag und die Schule, aber heute freue ich mich richtig drauf, denn in der Schule sehe ich Lexa wieder und danach gehen wir zu ihr. Vor der Schule angekommen habe ich ein komisches Gefühl, aber ich ignoriere es. Die ersten vier Stunden sind wie immer, alle tuscheln über mich, der Lehrer spricht eine Sprache die ich nicht verstehe, ich rede nicht und so weiter. Es klingelt zur Pause und ausnahmsweise verlasse ich die Klasse. Kaum trete ich auf den Schulhof, fangen alle an über mich zu lachen. Ich weiß zwar nicht was heute wieder so lustig ist, aber es interessiert mich auch nicht. Ich stelle mich in die Nähe von Lexa, was wohl ein Fehler war. Ihre Gruppe fängt direkt an über mich zu reden und Lexa? ... Die macht natürlich mit. Wie konnte ich nur denken sie mag mich. Sachen wie: „Nur, weil wir ein Projekt zusammen machen sind wir noch lange keine Freunde.“ sagt sie so laut, dass ich alles verstehe und es mich verletzt. Es klingelt endlich und alle gehen rein. Ich warte bis auch der Letzte drin ist, bevor ich reingehe, damit ich mich nicht wieder blamiere, denn noch eine Demütigung ertrage ich nicht. Als ich an den Toiletten vorbeigehe, packt mich eine Hand und zieht mich in den Waschraum. Es ist Lexa. Mit den Worten „Ich habe dich vermisst“, drückt sie mich gegen die Wand und küsst mich. Etwas irritiert löse ich mich von ihr und gehe zur Klasse. Was sollte das? Erst lästern und dann küssen geht gar nicht. Als ich die Klasse betrete, kann ich einige Gesprächsfetzen aufschnappen, die mich sehr verletzen. „Ihr Vater hat sich umgebracht“ oder „Wenn ich so eine Tochter hätte würde ich auch freiwillig gegen einen Baum fahren“, höre ich hinter mir. Ich merke, wie mir die Augen brennen. Wie kann Lexa so etwas nur tun? Warum erzählt sie das? Benutzt sie mich nur? All diese Fragen schießen in meinen Kopf. Den Unterricht bekomme ich gar nicht mehr mit, erst als die Klingel ertönt, merke ich wo ich bin. Ich packe langsam meine Sachen, um als Letzte den Raum zu verlassen. Lexa wartet schon auf mich an der Tür und erst jetzt merke ich, dass wir ja verabredet sind. „Können wir los?“, fragt Lexa und da ich ja keine andere Wahl habe, nehme ich meine Sachen und gehe zu ihr. Außerhalb des Schulhofes, versucht sie meine Hand zu nehmen, doch ich ziehe sie weg. Das ist jetzt einfach zu viel, ich bin noch zu sauer und enttäuscht. Fragend sieht sie mich an, doch ich starre einfach weiter geradeaus, um mich nicht in ihren wundervollen, blauen Augen zu verlieren. Beim Weitergehen sucht Lexa immer wieder Nähe, bis es mir zu viel wird und ich einfach loslaufe. Natürlich rennt sie mir hinterher und holt mich nach der nächsten Kurve ein. Schnell drehe ich mich weg, damit sie meine Tränen nicht sieht. Dann packt sie meinen Arm und dreht mich zu sich. Ich lasse es einfach geschehen. Als sie meine Tränen sieht, wird sie traurig und ich denke sie merkt wie weh sie mir getan hat. Vorsichtig wischt sie meine Tränen weg und drückt mich fest an sich. Es fühlt sich so falsch und doch so richtig an. Als ich mich dann endlich beruhigt habe gehen wir weiter. An ihrem Haus angekommen, gehen wir direkt in ihr Zimmer damit ihre Mutter uns nicht bemerkt. Nach ungefähr drei Stunden Schreiben und Zeichnen ist unser Projekt endlich fertig und wir setzen uns auf ihr Bett. Jetzt halte ich es nicht mehr aus, ich muss einfach wissen warum sie das getan hat. „Hey Lexa, hör mir mal bitte kurz zu. Was sollte das vorhin? Du hast mir verdammt weh getan, weißt du das? Ich dachte da wäre was zwischen uns.“ „Es tut mir leid, Maddi, ich hatte Angst, Angst vor meinen Gefühlen zu dir. Justin konnte das nicht verstehen und hat mir gedroht mein Leben zur Hölle zu machen, wenn ich nichts gegen dich sage.“ Ich gucke sie nur enttäuscht an, dann platzt es aus mir heraus. „Lexa, meine Güte, was soll das? Er tut dir nicht gut, dass weißt du, aber dass du sowas machst, hätte ich nie von dir erwartet. Er manipuliert dich und ich kann das alles nicht mehr mit ansehen. Entscheide dich. Er oder ich! Beides geht nicht. Verdammt Lexa… ich liebe dich.“ Kaum spreche ich das aus, erschrecke ich mich vor mir selbst, aber zurücknehmen ist jetzt nicht mehr möglich. Ich schaue Lexa an, doch sie guckt weg. „Das ist Antwort genug, ich gehe und wag es nicht mir zu folgen, wenn es dir nicht Ernst ist.“ Mit diesen Worten verlasse ich ihr Zimmer und gehe. Ich bin sauer und will nur nach Hause. Dort lege ich mich einfach ins Bett und starre die Decke an. War das wirklich ihr Ernst?

Tagebuch (3)

Liebes Tagesbuch,

ich habe es verbockt, einfach komplett verblockt. Maddi hasst mich, nein sie liebt mich, ach keine Ahnung. Am Morgen war noch alles gut und ich habe mich unfassbar gefreut Maddi zu sehen. In der Schule war auch noch alles gut, na ja jedenfalls bis zur 2ten Pause. Denn da habe ich den größten Fehler überhaupt gemacht. Ich wollte mit Justin reden, denn immerhin ist er ja mein Freund, aber es lief anders als ich dachte. Als ich ihm sagte, dass ich Maddi mag, also sehr mag, lachte er mich nur aus und meinte, wenn ich ihn verlasse um mit einem Mädchen zusammen zu sein, macht er mir das Leben zur Hölle und hat mich gezwungen, das mit Maddis Vater zusagen. Er dichtete daraus eine Lüge und schon ging alles schief. Maddi hatte noch nichts mitbekommen, aber dann wusste es auf einmal jeder. Als ich auf Toilette gehen wollte, sah ich Maddi und konnte nicht anders, ich zog sie in den Waschraum und küsste sie, da sie sich danach direkt abwendete und ging wusste ich auch, sie weiß es. Auf dem Weg zu mir, war sie mega abweisend und als ich sie anfassen wollte, rannte sie einfach los. Ich wusste nicht wieso und rannte hinterher. Als ich sie endlich eingeholt hatte und sie zu mir drehte, sah ich ihre Tränen. Erst da bemerkte ich was ich getan hatte und nahm sie in den Arm. Bei mir zu Hause, ging das Drama dann richtig los. Sie fragte warum ich es getan hatte und ich erzählte ihr von Justin. Daraufhin wurde sie laut und stellte mir ein Ultimatum. Er oder sie?! Dann sagte sie etwas, was mich überraschte. Sie sagte sie liebt mich. Ich war so überfordert, dass ich nichts sagen konnte, doch sie verstand es falsch und ging. Ich hoffe so, dass sie mir verzeiht, denn ich liebe sie doch auch.

 

 

Der Brief (1)

Ich liege wach in meinem Bett. Ich habe nicht eine Minute geschlafen, denn die Gedanken waren einfach zu laut. Die Gedanken haben gewonnen, heute ist der Tag, heute werde ich mich erlösen. In dem Moment betritt meine Mutter mein Zimmer. „Ey, willst du nicht aufstehen?“ fragt sie. „Nein, es geh mir nicht gut, ich möchte zu Hause bleiben“, erwidere ich. „Ausnahmsweise“ erwidert sie und verlässt mein Zimmer. Wenig später höre ich die Haustür ins Schloss fallen. Sie wird wohl zur Arbeit gehen, das heißt bis um 17 Uhr habe ich meine Ruhe. Ich stehe auf und setze mich an meinem Schreibtisch. Ich beginne zu schreiben: Liebe Mama, wenn Du das hier liest bin ich entweder tot oder gerade dabei… Vier Seiten lang ist der Brief an meine Mutter geworden. Den werde ich ihr heute Abend in die Küche legen, bevor ich gehe. Ich habe wohl sehr lange für Mamas Brief gebraucht. Inzwischen ist es schon 12 Uhr. Schnell schreibe ich noch einen für Lexa und lege mich dann wieder hin. Ich schaffe es tatsächlich noch ein bissen zu schlafen. Um 17.30 Uhr stehe ich auf und beginne das Schlachtfeld, so betitelt meine Mutter mein Zimmer, aufzuräumen. So muss sie es nicht machen, wenn ich weg bin. Um 19 Uhr ruft Mama zum Essen und da es das Letzte sein wird, esse ich sogar. Meine Mutter ist jetzt im Bett, das ist mein Zeichen. Schnell ziehe ich mir einen Pulli und eine Hose an, mache mich fertig und nehme die Briefe. Den für Mama lege ich in die Küche und Lexas nehme ich mit, denn den bringe ich ihr nach Hause. Bei Lexa angekommen, lege ich den Brief vor die Tür und klingle. Als ich höre, wie jemand die Treppe runterkommt, verstecke ich mich. Lexa öffnet die Tür und nimmt den Brief. Als sie die Tür schließt, renne ich los. Ich renne und renne und renne, bis ich das Gefühl habe meine Lunge platzt gleich. Vor mir liegt die Brücke. Langsam trete ich an das Geländer und schaue in das dunkle, blaue Wasser. Auf einmal höre ich von hinten Stimmen, es sind meine Mutter und zwei Polizisten. Je näher sie kommen, desto größer wird meine Angst. Als sie mich erkennen, laufen sie los. Schnell klettere ich über das Geländer und schreie „Stopp“. Sie bleiben stehen und versuchen mit mir zu reden, doch ich höre nicht zu. Es sammeln sich immer mehr Menschen um uns doch es ist mir egal. Tausende Gedanken schwirren mir durch den Kopf.

Der Brief (2)

Liebes Tagebuch,

ich mache mir Sorgen, Maddi war heute nicht in der Schule und auf meine Nachrichten antwortet sie auch nicht. Ich will sie nicht verlieren, denn sie ist mir so unfassbar wichtig geworden und die Gefühle die ich für sie habe, diese Liebe, diese Sicherheit, habe ich noch nie gefühlt. Ich habe vorhin mit Justin Schluss gemacht und offen gesagt, was ich fühle. Es war mir egal, was die anderen denken, Hauptsache Maddi verzeiht mir. Es klingelt – ich schreibe nachher weiter.

Komisch vor der Tür ist niemand, außer einem Brief mit meinem Namen drauf. Ich nehme ihn und gehe in meine Zimmer. Die Schrift erkenne ich sofort, es ist Maddis Schrift.

Liebe Lexa,

dieser Brief fällt mir wirklich schwer, aber ich muss ihn schreiben. Es tut mir leid, aber das hier ist mein Abschiedsbrief. Ich hätte nie gedacht, dass es soweit kommt, doch heute werde ich es tun. Heute bringe ich mich um. Ab heute bin ich frei. Ich liebe Dich Lexa und ich… 

Da schmeiße ich den Brief auf mein Bett, nehme meine Schuhe und renne los. Sie darf nicht gehen, sie darf mich nicht verlassen, ich liebe sie doch. Ich muss sie stoppen. Das ist alles meine Schuld, sie darf sich nicht wegen meiner Dummheit das Leben nehmen. Ich renne zur Brücke, ich weiß zwar nicht wieso aber ich habe das Gefühl sie ist dort. Als ich dort ankomme, sehe ich viele Menschen und mir ist klar, ich hatte Recht. Mir fließen die Tränen über die Wangen, als ich mir meinen Weg durch die Menschenmasse suche.

Frei

Ich stehe am Abgrund und es ist mir egal. Ich sehe meine Mutter, wie sie weinend zusammenbricht und fühle nichts. Ich sehe alle Menschen um mich herum, die versuchen mich zu retten, doch mich kann man nicht retten. Ich fühle mich wie in einem Tunnel und der einzige Ausweg ist das dunkelblaue Wasser unter mir.

„Maddi, Maddi bitte Maddi“, höre ich es auf einmal durch meinen Tunnel hallen, ich blicke vom Wasser weg und starre in die Menge. Ich kann nicht erkenn, woher die Rufe kommen, doch ich weiß, es ist Lexa. Kaum habe ich diesen Gedanken zu Ende gedacht, sehe ich sie. Sie bahnt sich einen Weg durch die Menschenmasse. Sie scheint zu weinen und ich merke wie ich anfange sie zu mustern. Sie trägt nur ein weites Shirt und eine kurze Jogginghose, es scheint als wäre sie direkt aus dem Bett hierhergekommen. Sie ist mir jetzt auch egal, soll sie ruhig sehen, was sie angerichtet hat. Sie kommt immer näher, selbst die Polizisten können sie nicht stoppen. Sie ist noch ungefähr zwei Meter von mir entfernt. Als ich laut „Stopp“ rufe, bleibt sie stehen. Sie schaut mich mit ihren geschwollenen Augen an. Ich merke wie ich mich in ihren Augen verliere und schaue schnell weg. Sie scheint irgendetwas in meinen Augen gesehen zu haben, denn auf einmal schluchzt sie laut auf und fängt an mit mir zu sprechen. „Es tut mir leid Maddi“ und „lass uns reden Maddi“, bringt sie hervor. Sie meint sie hätte Justin verlassen und wir könnten zusammen sein, doch dafür ist es zu spät. Mir laufen die Tränen die Wangen runter, sie sieht es und setzt ein letztes Mal zum Sprechen an. „Ich liebe dich, Maddi und ich werde es immer tun.“ „Ich weiß“, sage ich. Dann schließe ich die Augen und lasse los. Ich sehe mich selbst. Ich schaue mich an, wie ich in Zeitlupe falle. Plötzlich schießen mir lauter Dinge in den Kopf, war es richtig? Hätte ich kämpfen sollen? Wird es Lexa irgendwann vergessen? Wird sie mich vergessen? Ich habe Schuldgefühle und so viele Fragen, doch jetzt wo ich noch knapp 2 Meter von der harten Oberfläche des Wassers entfernt bin, sind alle Gedanken wie weggefegt und alles an das ich noch denke ist „Jetzt bin ich frei“. Ich höre die Wasserrettung, doch es ist zu spät, ich schlage auf dem Wasser auf und alles wird schwarz. Es fühlt sich an, als würde ich schweben. Ich sehe Maddi weinend auf dem Boden liegen. Ich setze mich neben sie, streichle ihr noch ein letztes Mal durch ihre braunen Locken und flüstere ihr noch ein letztes „Ich liebe Dich auch“ ins Ohr bevor ich für immer verschwinde.

Ohne sie

Nun sind es vier Monate. Vier Monate ohne sie. Ohne Maddi. Ich habe sie geliebt, so sehr geliebt, aber meine Fehler haben sie mir genommen. Mein Wecker klingelt und reißt mich aus meinen Gedanken. Es ist sieben Uhr. Meine Tür öffnet sich und meine Mutter tritt ein. Ich weiß, was jetzt kommt, denn dieses Gespräch führen wir seit Maddis Tod, jeden Tag. Doch heute ist es anders, denn ich bin bereit, bereit wieder zu leben. Seit ihrem Tod habe ich mein Zimmer kaum verlassen, nur um auf die Toilette zu gehen, gegessen habe ich in meinem Zimmer also, wenn ich überhaupt gegessen habe. Das Haus habe ich nicht verlassen, ich war nicht mal an ihrem Grab. Es ist noch zu schmerzhaft. Meine Mutter fragt: „Heute? Meinst du heute ist der Tag? Ich verstehe wenn…“ Da unterbreche ich sie. „Ja Mum, heute, ich werde es schaffen, ich werde kämpfen für Maddi.“ Ich stehe auf und ziehe mich an. Ich trage einen Pulli, Maddis Pulli, um meine noch frischen Narben zu verdecken. Ab heute bin wohl ich das ritzende, Psychomädchen. Doch es ist mir egal. Ich ziehe die schwarze Jeans an, die Maddi so geliebt hat und schaue in den Spiegel. Ich sehe furchtbar aus, Augenringe, zerzauste Haare und unreine Haut, aber es ist mir egal. Ich kämme meine Haare, wasche mich und gehe in die Küche. „Ich muss mich nicht schminken um schön zu sein“, sagte Maddi immer, also muss ich es auch nicht. Ich nehme mir das Brot mit Käse, das Mama extra für mich gemacht hat, hole meine Tasche und verlasse das Haus. Die Sonne scheint und ich genieße die Strahlen auf meiner Haut. Es ist erst halb acht, ich brauch aber nur fünf Minuten zur Schule. Also beschließe ich, ihr Grab zu besuchen. Schnell kaufe ich noch eine gelbe Tulpe, denn die liebte Maddi. Am Tor des Friedhofes bleibe ich stehen. Ist es wirklich die richtige Entscheidung hier zu sein? Ich finde JA! Also gehe ich langsam in Richtung Grab, das letzte Mal war ich bei der Beerdigung hier und fühle mich deswegen schuldig. Vor ihrem Grab bleibe ich stehen, es ist leer und jede Blume verwelkt. Es scheint keiner mehr herzukommen. Ihre Mutter ist nach ihrem Tod weggezogen und sonst hatte sie keinen… keinen außer mich. Ich knie mich vorsichtig hin und lege die Blume auf das Stück Gras auf ihrem Grab. „Ich vermisse und liebe dich“, flüstere ich und verspreche ihr nun öfter zu kommen. Dann schaue ich auf die Uhr „Scheiße, nur noch acht Minuten“, also renne ich los. Pünktlich zum Klingeln betrete ich den Pausenhof und spüre direkt zweihundert Augenpaare auf mich. Ich ignoriere sie, denn ich weiß ich bin stark und Maddi ist bei mir.