Bojana Blatnjak
Umgeben von Eltern, die Psychologen waren, wusste ich schon als Kind, was ich in der Zukunft machen würde. Ich beobachtete, wie meine zufriedenen Eltern noch zufriedenere Patienten zur Türe begleiteten und bewunderte, wie sie ihren Patienten zeigten, dass das Leben tatsächlich schön ist.
Nach dem abgeschlossenen Psychologiestudium erkannte ich, dass man als Psychologe nie arbeitslos wird. Ich hatte viele Anrufe von Patienten, die nach einem Ansprechpartner suchten, aber keiner dieser Anrufer meldete sich erneut. Es gab immer verschiedene Leute mit unterschiedlichen Geschichten, aber ich konnte nie feststellen, ob ich ihnen so viel geholfen habe, dass sie die Hilfe nicht wieder brauchten, oder ob sie einfach bei meinem Kollegen auf der anderen Seite der Stadt gelandet sind.
Eines Morgens, nachdem ich meine Tochter in den Kindergarten gebracht hatte, saß ich auf dem Spielplatz des Kindergartens, beobachtete die Kinder und dachte, wie es eigentlich möglich ist, dass solche kleinen Kreaturen so viel Energie haben.
Unter den Kindern fiel mir aber ein Mädchen mit großen blauen Augen und kurzem, schwarzen Haar, wie bei einem Jungen, auf. Um sie herum konnte ich mir eine Art graue Wand vorstellen, die sie umgab.
Sie saß gekrümmt in der Ecke, während die anderen Kinder lärmend hin und her liefen.
Die Erzieher schenkten dem unglücklichen Mädchen keine Aufmerksamkeit, und der Gedanke, dass dies mein Kind sein könnte, das dort saß und mit gesenktem Kopf zur Erde starrte, weckte in mir eine Art Mitleid.
Ich ging mit einem Spielzeug in der Hand auf sie zu. Ich versuchte mehrfach sie aufzuheitern, aber sie reagierte nicht. Schließlich stand ich auf und ging in Richtung Ausgang.
„Weißt du, ich habe nur einen einzigen Freund“ kam es aus ihrer Richtung. „Wie heißt er?“, drehte ich mich um und setzte mich wieder neben sie.
„Er ist wütend, wenn ich ihn beim Namen nenne, also nenne ich ihn nur ‚Freund’“. „Wie alt ist denn dieser Freund von dir?“ fragte ich glücklich.
„Ungefähr vierzig“ flüsterte sie.
Ich war überrascht und bekam Gänsehaut, aber war ich sehr froh, dass sie ein bisschen glücklicher schien als vor einer halben Stunde.
An diesem Tag haben wir lange miteinander gesprochen. Wir sprachen über Quallen, über das Fenster im Dach, und schließlich über Schokolade und das Glück. Ich glaube, dass das Gespräch auch ihr Spaß gemacht hat. Seitdem kam sie einmal in der Woche zu mir nach Hause zu Tee und Kuchen, den meine Frau für mich gebacken hatte. Statt, wie vorgesehen, den Kuchen zur Arbeit mitzunehmen, behielt ich ihn zu Hause, um ihn immer mit dem Mädchen mit den kurzen Haaren zu essen.
Wenn sie zu mir nach Hause kam, zog sie direkt ihre blau-rosa Schuhe aus, stellte sie neben die Tür und setzte sich immer auf den gleichen Platz, den Stuhl neben mir.
Ich erzählte meiner Tochter, wer meine kleine Freundin ist, weil sie sich nie im Haus trafen. Aber sie zuckte nur mit den Schultern und sagte, dass sie sie nie im Kindergarten gesehen hatte. Ich erklärte es damit, dass sie unter all diesen energischen Kindern sehr unauffällig war.
Mit der Zeit gewöhnte ich mich an meine kleine Freundin. Manchmal vermisste ich sie, als wäre sie meine Psychologin.
Sie erzählte mir nie von ihren Eltern. Einmal allerdings erwähnte sie, dass der Kuchen, den sie jede Woche in unserem Haus aß, ähnlich sei wie der Kuchen, den ihre Mutter backe. Sie erwähnte auch, dass ihre Mutter eine sehr schöne junge Frau sei.
Eines Nachmittags im Winter, als ich von der Arbeit zurückkehrte, war Glatteis vor dem Hauseingang. Ich rutschte aus und landete mit zwei gebrochenen Wirbeln und drei gebrochenen Rippen im Krankenhaus.
Ich lag einen Monat im Krankenhaus. Eines Tages stand statt des Arztes eine kleine Kreatur mit blauen Augen und einem Spielzeug in der Hand in der Tür.
„Hey, wie bist du alleine hierher gekommen?“ Ich war erstaunt und überrascht.
„Keine Sorge, meine Eltern wissen, dass ich dich besuche“ sagte meine kleine Freundin mit dünner Stimme.
Sie erzählte von ihrem Freund. Sie sagte, er sei einer der wenigen, die sie nicht auslachten, weil sie wie ein Junge aussah. ,,Wir essen immer zusammen Kuchen und können stundenlang miteinander sprechen.“
Während sie sprach, beobachtete ich ihr kleines Gesicht. Sie schien irgendwie krank, blass und energielos. Wie an dem Tag, als ich sie auf dem Spielplatz des Kindergartens gesehen hatte.
Ich fragte sie, ob ich ihren Freund kennenlernen dürfte. Aber sie lachte nur sanft, sah mich mit Tränenaugen an und flüsterte: „Es ist unmöglich“.
Meine Schmerztabletten begannen zu wirken. Ich fühlte das Bedürfnis nach Schlaf und meine Lider wurden schwerer. Sie legte ihren kleinen Kuschelbär neben meinen Kopf und ging.
Es war das letzte Mal, dass ich sie sah.
Nach einigen Monaten stellten die Ärzte fest, dass ich neben der Knochenfraktur eine Art Schizophrenie habe. Ich wollte meine kleine Freundin unbedingt wiedersehen, weil mir erst jetzt einfiel, dass ich ihr Freund sein könnte.
Deswegen habe ich den Ärzten von dem Mädchen erzählt, aber sie sagten sie sei ein Produkt der Schizophrenie. Sie existierte nur in meinen Gedanken und nicht in der Realität. Mit dieser Diagnose wurde ich eines Tages entlassen. Ich verließ das Krankenhaus mit dem Kuschelbär im Arm.