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Der Riesenbekämpfer

Hektor David

Die glücklichen Gewinner des Schreibwettbewerbs „Leben in der Quarantäne“. 

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Vor uralter Zeit lebte ein Riese in einem dichten Tannenwald. Der Riese hieß Coronius und war sehr böse und deshalb hielten sich schon immer alle Menschen fern von diesem Wald.

 

Die Menschen kamen nicht hinein, der Riese kam aber auch nicht hinaus und dies war der Grund, weshalb der Riese bisher für nicht so arge Aufmerksamkeit in diesem Reich gesorgt hatte. Doch einmal sollte der Riese außerhalb seines Gebietes erblickt worden sein. Das Volk dachte, da hätte sich jemand etwas eingebildet und niemand sorgte sich darum so richtig.

 

Ein paar Tage später sollte der Riese aber noch einmal von einem Bauer gesichtet worden sein. Viele Bewohner des Reiches wurden unruhig, denn ab nun war Coronius fast jeden Tag woanders, auch in weit fort gelegenen Ländern.

 

Zur gleichen Zeit lebte in einem prächtigen Schloss in einem fernen Land, westlich vom Gebirge und östlich von den sieben Meeren, ein König mit einer Königin, die hatten einen kleinen Sohn, einen tapferen Prinz, der war, obwohl er noch jung war, viel tapferer und mutiger als sein Vater. Die Königsfamilie hatte auch schon von dem ausgebüchsten Riesen Coronius gehört und der König wollte unbedingt etwas unternehmen, damit der Riese nicht auch in sein Reich eindringen konnte. So ließ er also seine ganzen Wachen an die Grenzen schicken, damit jene verhindern konnten, dass der Riese auch dieses Reich unsicher machte. Die Wachen gingen also auf Posten, bewaffnet und mit viel Mut und Ehrgeiz. Ihre Aufgabe war nicht leicht, denn Tag und Nacht mussten sie stets aufpassen.

 

Die erste Nacht blieben alle Wachen wach und wachten gut und tüchtig über das Reich. Ein Bote ließ am nächsten Morgen dem König die Botschaft überbringen, dass die Wachen aufgepasst hatten und keinen Riesen zu Gesicht bekommen hatten. Der König war überaus erfreut darüber und sagte sich, dass es doch gelacht wäre, wenn seine Wachen den Riesen, sollte er denn kommen, nicht besiegen würden.

 

In der zweiten Nacht waren die Wachen leicht übermüdet und gähnten, aber kein Riese kam. Das Oberhaupt der Wachen sagte, da sich bis jetzt kein Riese blicken gelassen habe, werde wohl auch keiner mehr kommen, deshalb schlage er vor, die nächste Nacht einfach zu schlafen und am Morgen zu lügen, der Riese wäre nicht gekommen, denn er kam bestimmt auch nicht. Der Rat gefiel den müden Wachen und in der dritten Nacht schliefen alle ein. Doch ausgerechnet in dieser Nacht kam Coronius in das Reich, fraß die paar Wachen, die im Weg waren, auf und spazierte seelenruhig in das Land.

 

Am Morgen sagten die Wachen, kein Riese wäre vor Ort gewesen, aber sie hatten ein schlechtes Gewissen und wurden misstrauisch, denn zwölf Wachen fehlten. Die Wachen dachten also, der Riese wäre eventuell schon im Land und fühlten sich verpflichtet, ihn zu suchen. Der König bekam davon nichts mit und dachte weder, dass ein Riese im Land war, noch dass seine Wachen im Land und nicht an den Grenzen standen.

 

Doch der Riese war nicht dumm und flüchtete aus diesem Land, während die Wachen tagelang mit Mühe suchten, aber niemanden fanden. Ein paar Tage später ging der Riese Coronius wieder in jenes Reich, aber niemand bewachte die Grenze. Dieses Mal ging der Riese in die Nähe von Königs 2 Schloss und der Prinz erblickte ihn. Jener sprach: „Du, Riese, waren denn keine Wachen da?“ Der Riese lachte und sagte: „Was für Wachen? Gestern war ich schon einmal hier und es lagen ein paar Leute, die haben tief geschlafen und mir waren 12 im Weg, also fraß ich sie!“ „Du böser Riese, du!“, sagte der kleine Prinz. „Schämst du dich denn gar nicht? Du hast des Königs Wachen verzehrt!“ Der Riese lachte und verzog sich. Der Prinz aber erzählte seinem ängstlichen Vater, dem König, sein Erlebnis und der war einerseits wütend über die Wachen und zweitens erschrocken und aus Furcht befahl er, alle seine Untertanen und die Bürger sollten sich in ihre Häuser verschanzen, damit Coronius ihnen nichts antun könne. Das ganze Reich schwebte in großer Panik, nur der Prinz hatte keine Furcht und bot seinem Vater an, den Riesen zu vertreiben oder zu vernichten und dann die suchenden Wachen zu suchen und ihnen zu sagen, er hätte den Riesen schon gefangen. Der König sagte: „Du, mein einziger Sohn, darfst nicht weg, sonst habe ich verloren!“ Der Prinz wunderte sich und sprach: „Du hast doch auch schon 12 Wachen verloren. Einer mehr tut nichts zur Sache, oder?“ Der König sprach, und ob das etwas zur Sache tat. Eine Wache mehr, wäre ihm gleich, aber kein eigener Prinz! Und es blieb bei dem Verbot.

 

Der Prinz aber ärgerte sich sehr über seinen Vater und beschloss, in der Nacht heimlich mit dem Schlachtermesser, des Königs einzige Waffe, den Riesen zu erledigen. Er würde seinem Vater schon zeigen, dass er zu etwas fähig wäre. Also ging er in der folgenden Nacht aus dem Schloss. Der König wollte sich am nächsten Morgen mit seinem Schlachtermesser Butter aufs Brot schmieren, als er den Platz, wo es immer lag, leer vorfand. „So eine bodenlose Frechheit!“, brüllte der König. „Mich, den König zu bestehlen!“ Plötzlich ging die Tür auf und die Königin kam bleich ins Zimmer und sprach: „Der Prinz! Jemand hat den Prinz gestohlen oder gefressen!“ „Der Riese war’s!“, schrie der König, „Wie konnte der denn ins Haus kommen?“

 

Der Prinz wanderte indessen mit dem vermeintlich gestohlenem Messer über Berge und Täler, Wiesen und Wälder und kam, als es Abend wurde, zu einem einsamen Haus, dort wohnte eine liebe alte Frau, die ihm anbot, bei ihr über Nacht einzukehren. Der Prinz dankte der Alten und nahm ihr Angebot gerne an. Die Frau bot ihm außerdem an, ihn in ihrer Glaskugel – einer Kugel, mit der sie alle Menschen, auch den Prinzen, sehen konnte – zu verfolgen und bei drohender Gefahr einzugreifen.

 

In aller Morgenfrühe wollte der Prinz aufbrechen und die alte Frau gab ihm etwas zu essen und ein Pferd mit auf den weiten Weg. Der Prinz ritt und ritt und ritt und fand den Riesen nicht. Als er viele Meilen geritten war, lief ihm ein Elch über den Weg und da es in dieser Jahreszeit nicht viel zu futtern gab, sprach der Prinz: „Hallo Elch! Ich habe viel zu essen. Willst du auch etwas abhaben?“ „Vielen Dank!“, sprach der Elch, „Ich brauche nichts! Seit ihr Menschen fast nur noch in euren Häusern seid, geht ihr nicht mehr auf Jagd und deshalb kann ich in Ruhe Futter suchen.“ Der Prinz war überrascht und ritt weiter. Da traf er alsbald einen Luchs und fragte ihn: „Hallo Luchs! Brauchst du etwas zum Essen?“ „Vielen Dank, aber ich brauche nichts. Seit ihr Menschen fast nur noch in euren Bauten seid, kommt ihr nicht mehr her und wollte mich anschauen. Denn das verjagt mich bei der Futtersuche, doch nun kann ich ungestört Futter suchen!“ Überrascht ritt der kleine Prinz weiter.

 

Bald lief sein Gaul immer langsamer und verweigerte schließlich den Ritt. Der Prinz ließ seinen Genossen also freilaufen und gab ihm noch etwas Stroh mit. Er war sehr betrübt, dass er jetzt alleine ohne sein Pferd weiter laufen musste und lief traurig seinen Weg. Da begegnete ihm ein Wolf. Der Prinz sprach: „Hallo Wolf! Willst du zu essen haben?“ „Vielen Dank, nein! Seit ihr Menschen fast nur noch in euren Häuschen seid, baut ihr auch keine Wolfsgruben mehr. Nun kann ich endlich wieder in Ruhe Futter suchen.“ Der Prinz ging überrascht weiter, aber der Wolf hielt ihn zurück. „Da ich soviel fresse gerade, habe ich viel Kraft! Du kannst auf mir reiten, wenn du willst!“ Der Prinz war begeistert, bejahte und sprach: „Du musst nur irgendwo hin reiten, denn ich will den Riesen erlegen und ich weiß nicht, wo er ist.“ Der Wolf war nicht einverstanden und sprach: „Er hat uns Tieren Glück gebracht. Ich reite dich hin, denn ich weiß wo er ist, aber du darfst ihn nicht töten!“ Der Prinz sprach: „Dann befolge ich deinen Willen und erlege den Riesen nicht.“ Insgeheim gedachte er aber, den Riesen doch zu töten.

 

Nach drei Tagen, drei Nächten, drei Stunden, drei Minuten und drei Sekunden kamen sie in einen finsteren Wald, es war jener, wo der Riese Coronius normalerweise lebte. Plötzlich erhob sich ein so riesiges Haus, dass die Tür bestimmt 30 Maaßen hoch war und der Prinz es erst gar nicht als Haus erkannte. Dieses war also Coronius‘ Heim. Der Wolf verabschiedete sich, noch einmal mit der Bitte, den Riesen nicht zu töten und ging seines Weges. Der Prinz klopfte aber an die Türe des großen Hauses und Coronius öffnete. Er öffnete seine Augen weit und sprach: „Du? Dich kenne ich doch! Du bist doch vor dem Schloss in Askraland gewesen und warst böse, wegen meinem Fraß, den Wachen! Was willst du?“ Der Prinz antwortete, dass er ihn töten wolle. Da begann der Riese Coronius zu zittern und sprach: „Lieber Prinz, ich tue alles, was in meiner Macht steht, nur darfst du mich nicht töten!“ Und er kniete vor ihm nieder. Da dachte der Prinz, weil es auch die Tiere gesagt hatten, könne er ja etwas vorschlagen und er sprach: „Gut, ich werde dich nicht erlegen, aber nur wenn du versprichst, niemals mehr böse zu sein! Wenn du’s doch bist, komme ich wieder!“ Der Riese hörte auf zu zittern und nahm des Prinzen Vorschlag an. Der Riese hatte ab jetzt die Aufgabe, die Tiere in der futterkargen Jahreszeit zu füttern, denn wenn der Riese nicht mehr böse war, konnte die Leute wieder hinaus. Auf dem Weg zum Schloss suchte der Prinz die Wachen, fand sie ausgehungert und suchend an einem Weizenfeld und erzählte ihnen von seinem Erfolg.

 

Die Wachen waren bitterbös´, dass sie, die königlichen Wachen, den bösen Coronius nicht gefunden hatten, dafür aber ein lächerlicher kleiner Prinz. Da sagten sie, er, der Prinz, müsse seinem Vater, dem König von Askraland, erzählen, dass er Zeuge davon war, dass sie, die Wachen den Riesen umgeschlagen hätten und wenn er dies nicht tue, würden sie das Schlachtermesser kaputtschlagen und sagen, er, der Prinz, wäre es gewesen. Da musste der Prinz die Drohung befolgen, denn er wusste, wie sehr der König, also sein Vater, böse wäre, wenn er erfuhr, der Prinz hätte sein Messer kaputtgeschlagen, denn ohne ihm konnte er weder seinen Feinden entgegenkommen, noch sein tägliches Butterbrot genießen.

 

Daheim machte der Prinz seinem Vater klar, dass er gesehen habe, wie die Wachen den Riesen überzeugt hatten, dass er nicht mehr böse sein solle. Das gefiel dem König, aber er war stocksauer, dass der Prinz einfach ausgerissen war. Noch böser wurde er allerdings, als er hörte, er habe sein Messer mitgenommen. „Messerdieb, du! Das gibt’s doch nicht – mein Sohn ist ein Dieb!“ Ein Tag später kam eine Kutsche daher und drinnen saß die alte Frau aus dem Wald. Sie sagte dem König, dass sie mit ihrer Glaskugel alles gesehen habe. Und zwar, dass der Prinz es war, der Coronius besänftigt habe und ihn die Wachen gezwungen hatten, ihm eine Lüge aufzutischen.

 

Alle lebten nun lange und schön, die Königin freute sich über ihren Prinz, den sie nun wieder hatte und der König über sein Messer. Die gemeinen Wachen wurden entlassen, und ab jetzt wachte freiwillig der tapfere Prinz tüchtig, gut und lange über das Reich.