Es war das kleine blaue Haus am Ende der Straße, welches ihm den Weg in die Freiheit zeigte. Gian lebte in einer kleinen Stadt, in einem kaputten Land, auf einer kaputten Welt. Er war 18 Jahre alt, als sich sein Leben veränderte. Gemeinsam mit seiner Mutter, die schwerkrank war und ein Alkoholproblem hatte, lebte er in einer kleinen Wohnung. Der Krieg hatte vor drei Jahren geendet, jedoch waren die größten Teile des Landes noch nicht wieder aufgebaut. Gians Vater war als Soldat im Krieg gestorben; das war allerdings kein großer Verlust für den Jungen. Er hatte seinen Vater nie gemocht. Ständig war er betrunken gewesen und hatte ihn und seine Mutter geschlagen, wenn er von einem langen Abend aus der Kneipe heimkehrte. Auch seine Mutter stand ihm nicht sonderlich nah. Die meiste Zeit, an die er sich erinnern konnte, lag sie im Bett. Durch ihre Krankheit fiel es ihr schwer aufzustehen und wenn sie es doch schaffte, führte ihr Weg stehts in die nächstgelegene Kneipe, um sich volllaufen zu lassen. Vielleicht versuchte sie dadurch den Frust zu vergessen, den ihr das erfolgslose Leben brachte. So etwas wie Liebe hatte Gian nie kennengelernt und die Hoffnung etwas im Leben zu erreichen wurde ihm schon früh genommen. Schon früher musste er dem Vater, der einmal Postbote war, helfen Briefe und Karten zu verteilen und machte er nur den kleinsten Fehler, wurde er geschlagen und mit Sätzen wie „Du kannst nichts!“ „Du wirst niemals etwas erreichen!“ „Du fällst uns nur zur Last!“ und „Wir wollten dich nie!“ überhäuft. So wurden seine kindlichen Träume und Wünsche zerrissen. In der Schule war Gian damals sehr gut und die Lehrer erkannten sein Talent, das Schreiben. Dann kam der Krieg. Nun war ihm die Schule verwehrt, da er zur unteren Klasse gehörte und kein Geld für die teure Schule da war. Er lebte vor sich hin ohne an etwas Großes zu glauben, ohne Leidenschaft, Freiheit oder Perspektiven. In Gedanken an die Vergangenheit versenkt fällt Gian nicht auf, dass die Mutter Geld aus der Dose mit seinem hart verdienten Lohn nahm und still zur Tür hinaus humpelt. Erst das Knallen der Tür riss ihn aus seinen Gedanken. Mit einem raschen Blick auf die Uhr, deren Glas halb zerschlagen war, stand er auf. Schon fünf Minuten zu spät! Relativ gelassen verließ er die Wohnung und schloss die Tür. Es machte keinen Unterschied, ob er zu spät oder pünktlich kommen würde, der Chef würde so oder so einen Grund finden, seinen Lohn für den Monat zu kürzen. Dem war er hilflos ausgesetzt. Er arbeitete fast umsonst für den Rübenmeyer, den Eigentümer der Wohnung, in der Gian mit seiner Mutter lebte. Da die Miete zu teuer war, musste er sie als Bauarbeiter abarbeiten. Er bekam nur selten etwas von seinem eigentlichen Lohn zu sehen. Selbst wenn er gewollt hätte, hätte er nicht kündigen können. Er hatte nie etwas Richtiges gelernt; zur Schule ging er nicht und seine Familie genoss nicht den besten Ruf. Besonders er nicht, der breit gebaut war mit lockigen Haaren, die ihm bis in die Stirn fielen, mit einer Narbe an der linken Augenbraue von einer Wunde, die ihm der Vater im Alter von 12 Jahren mit einer Bierflasche zugefügt hatte. So würde er, wenn er kündigte ohne Arbeit und ohne Wohnung dastehen. Es schien als würde er die Kleinstadt nie verlassen können und damit hatte er sich abgefunden. Als er nun trödelnd die unebene Straße hinabspazierte, vor sich hin pfeifend, sprang ihm eine rote Erscheinung ins Auge. Er musste zweimal blinzeln. Ein Mädchen in einem rot geblümten Sommerkleid lief schnellen Schrittes von vorne die Straße hinunter. Die dunklen langen Haare fielen in dichten Locken bis zu ihrer Taille herab und unterstrichen ihre zierliche, aber kurvige Figur. Ihre Haut schien blass und glatt und an den schmalen Füßen trug sie weiße Sommersandalen. Das war alles, was sich der Junge auf die Schnelle einprägen konnte, denn sie rauschte schnellen Schrittes an ihm vorbei. Wie angewurzelt blieb Gian stehen, drehte sich wie in Trance um und beobachtete, wie sie in dem kleinen blauen Haus am Ende der Straße verschwand, welches bis vor kurzem leer stand. Nur zu gern hätte er ihr Gesicht genauer betrachtet und ihre Schönheit länger bewundert. Es faszinierte ihn wie sie, ohne auch nur einen Menschen auf der Straße eines Blickes zu würdigen, lief. Ein paar Sekunden stand er noch so und starrte auf die blaue Tür, hinter der das Mädchen verschwunden war. Schließlich schaffte er es seinen Blick zu lösen und lief nun schnellen Schrittes die Straße weiter hinauf. Wie erwartet war der Chef in Hochform und stapfte wutentbrannt auf ihn zu. „Du dummer Bengel, was fällt dir ein so spät zu kommen!!! Nächstes mal werde ich dich mit Schlägen lehren, du Nichtsnutz.“ Seinen Wutausbruch endete er mit den Worten: „Das gibt Abzüge im Gehalt und verschwendest du noch einmal meine Zeit, werde ich dich und deine verdummte Mutter aus der Wohnung werfen.“ Unzählige Male hatte Gian diesen Satz nun schon gehört. Den Arbeitstag überstand Gian nur schwer, ständig verkippte er Farbe, ließ Ziegel fallen oder rempelte andere Arbeiter an, so vertieft war er in seinen Gedanken. Das Mädchen in dem roten Sommerkleid ging ihm nicht mehr aus dem Kopf.
Auf dem Rückweg nach Hause beschloss er, einen Abstecher über den Marktplatz zu machen. Geld, um sich etwas zu kaufen hatte Gian nicht, aber hier und da, wenn niemand hinsah, ließ er einen Apfel oder ein Stück Brot in seinen Taschen verschwinden. An diesem Tag hatte er besonders viel Hunger, denn sein Frühstück war ausgefallen und die kleine Suppe mit etwas trockenem Brot, die es bei der Arbeit gab war auch ausgefallen. Der Chef wollte es so. Frisches Essen Zuhause hatte Gian nicht, dafür war kein Geld da. In dieser Nacht fiel es Gian schwer Schlaf zu finden. Die Wohnung hatte nur ein Schlafzimmer und ein Bett und in diesem schlief die Mutter. So schlief er jede Nacht auf dem klapprigen Sofa im Wohnzimmer. Als er es schließlich doch schaffte einzuschlafen träumte er einen warmen Traum. Er träumte von dem Mädchen im geblümten Kleid.
Die nächsten drei Tage liefen monoton ab. Gian stand morgens auf, ging zur Arbeit und kehrte abends erschöpft heim. Oft dachte er an das Mädchen und manchmal am Abend, wenn er aus dem Fenster sah, konnte er ihre zarte Statur im Fenster des blauen Hauses erkennen. Einmal hatte sie ihn auch gesehen, jedenfalls glaubte er das.
Der vierte Tag der Woche startete wie gewöhnlich. Morgens ging Gian zur Arbeit und abends machte er sich kaputt auf den Rückweg. Es war ein langer Tag gewesen und der Hunger plagte ihn so sehr, dass es ihn zum Markt zog. Heimlich nahm er sich zwei Äpfel vom Stand und lief eilig in Richtung seiner Wohnung. Schwungvoll lief er an einer Kreuzung um die Ecke und prallte mit voller Kraft gegen Jemanden. Verdattert stand Gian ein paar Sekunden da, bis er realisierte, was da grade passiert war und mit wem er zusammengestoßen war. Das schöne Mädchen lag auf dem Boden und die vollen Tüten mit Einkäufen waren ihr aus der Hand gefallen. Die Lebensmittel lagen verteilt auf der Straße. Schnell stand sie auf und richtete ihr Kleid. Es war leuchtend blau und war verziert mit kleinen Blumenranken. Gian stockte der Atem. Er war ihr nun so nah, dass er ihr Gesicht genau erkennen konnte. Die vollen Lippen, das zarte Gesicht und die schmale Nase machten ihr Gesicht einzigartig schön. Jedoch waren es die Augen des Mädchens, welche ihn am meisten faszinierten. Leuchtend, in hellen Blautönen strahlten sie ihn an. Einen kurzen Moment starrten sie sich an, bis sie ihren Blick abwandte, um die Unordnung auf dem Straßenboden zu betrachten. Geistesgegenwärtig bückte Gian sich und fing an, die Lebensmittel zurück in die Tüten zu räumen. „Danke.“ Gian bekam Gänsehaut bei dem Klang ihrer weichen Stimme. „Ich habe dich gesehen am Fenster“, fuhr sie fort. „Ja…ehm…ich dich auch“, stammelte Gian, während er ihr die Tüten zurückgab. Sie lächelte ihn an und nach einem kurzen Blickkontakt lief sie los, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Ein wenig überrumpelt blickte Gian ihr nach, bis er schließlich in die entgegengesetzte Richtung nach Hause lief. Zuhause angekommen gingen ihm so viele Gedanken durch den Kopf. Wer war dieses Mädchen und wo kam sie her? Warum hatte er nicht mehr gesagt? Und Wie war überhaupt ihr Name? Bis zum späten Abend kreisten seine Gedanken um das Mädchen, bis er es nicht mehr aushielt. Mit einem Blick aus dem Fenster vergewisserte er sich, dass sie noch wach war. Das Licht brannte noch! Schnell verließ er die Wohnung. Im Treppenhaus traf er auf seine Mutter. Schon von Weitem konnte er ihre Fahne riechen. Wortlos lief er an ihr vorbei und machte sich auf den Weg zum blauen Haus am Ende der Straße. Er klopfte ohne darüber nachzudenken, was er sagen sollte. „Wer ist da?“ konnte er ihre weiche Stimme verängstigt sagen hören. „Ich bin es der Typ, der vorhin in dich reingelaufen ist. Darf ich vielleicht reinkommen?“ „Nein lieber nicht“, antwortete sie. Mit dieser Antwort hatte er nicht gerechnet. Nach weiterem hin und her erkannte Gian, dass es hoffnungslos war. Sie würde ihn nicht hereinlassen. Also drehte er sich um und lief die drei Stufen hinab, die vor der Tür waren. Ein Stechen durchfuhrseine Brust. Auf der letzten Stufe drehte er sich noch einmal um und betrachtete das Haus. In diesem Moment öffnete sich die Tür und das Mädchen erschien im Rahmen. „Ich habe es mir anders überlegt, komm herein.“ Ein Kribbeln breitete sich in Gians ganzem Körper aus und ein Gefühl, welches ihm lange verborgen war, füllte ihn. So muss sich Glück anfühlen.
Das Haus war klein und nur dürftig eingerichtet. Auffällig waren die vielen Blumen und Pflanzen, die auf dem Boden und auf den Möbelstücken standen. „Setz dich doch“. Gian setzte sich auf das kleine blaue Sofa und das Mädchen nahm auf einem Stuhl gegenüber Platzt. „Wie heißt du eigentlich?“ fragte Gian sie. „Melinn“. Sogar der Name faszinierte Gian. „Du?“ „Gian“ Nach einer Pause bot Melinn ihm Tee und süße Kekse an und sie begannen zu reden. Gian fragte und Melinn erzählte. Sie erzählte von dem Tod ihrer Eltern, dem Süden und den vielen Reisen. Nie war sie an einem Ort länger als 3 Monate geblieben. Nichts konnte sie festhalten. Sie war ein Schmetterling. Frei, ungebändigt und wunderschön. Gian bewunderte sie. Ihre lebensfrohe Energie, das Leuchten in ihren Augen wenn sie redete. Die vielen Träume, Ideen und Pläne ließen ihn abtauchen in eine Welt ohne Pflichten und Geldsorgen. Eine Welt die nicht kaputt und grau war. Eine Welt, die strahlte und offen war. Etwa zwei Stunden redeten sie. Sie lachten sehr viel und Gian hatte sich noch nie so frei und geborgen gefühlt, wie an diesem Abend. Tief in der Nacht verabschiedeten sie sich und nur zu gerne hätte Gian Melinn umarmt, um einen Teil ihrer inneren Wärme aufzunehmen. „Ich möchte dich wiedersehen“, sagte Gian leise. Melinn lächelte, „Komm morgen Abend wieder vorbei“. Und das tat Gian. Jeden Abend saßen sie zusammen aßen Kekse, redeten und lachten. Nach der Abenden sagte Melinn zum Abschied: „Du weißt nun so viel über mich, morgen möchte ich mehr über dein Leben wissen.“ Gian lächelte „Gerne.“ Der nächste Arbeitstag war lang und die Realität des Alltags schlug hart auf ihn ein, da er es nicht erwarten konnte Melinn wiederzusehen. Noch nie hatte jemand mehr über ihn wissen wollen oder nach seinem Leben gefragt. Und auch an diesem Abend fand er Zuflucht in dem kleinen blauen Haus am Ende der Straße. Zum ersten Mal erzählte Gian von seinem harten Leben, seiner Kindheit, seiner Familie und von seiner Hoffnungslosigkeit. Als er fertig war schüttelte Melinn den Kopf. „Du musst hier weg.“ „Was“, fragte Gian verdutzt. „Was hält dich denn hier? Du lebst in einer Welt ohne Träume, ohne die Welt außerhalb er kaputten Straßen zu kennen.“ Gian überlegte. Die Option einfach wegzulaufen war ihm noch nie gekommen. Wie gerne würde er einmal ein Meer sehen und Sonnenuntergänge am Strand. Als Autor Bücher schreiben und Spaziergänge machen mit Melinn. „Ich werde in einer Woche die Stadt verlassen und fahre in den Süden. Wohin weiß ich noch nicht genau. Bitte komm mit mir.“ Unterbrach Melinn seine Gedanken. Gian wusste, wie schwer ihr der letzte Satz gefallen sein muss. Sie vertraute niemandem und war am liebsten allein unterwegs. „Ich kann nicht.“ Entgegnete Gian nach einiger Zeit. „Was hält dich hier?“ fragte Melinn enttäuscht. Er konnte sehen wie enttäuscht sie war. „Ich habe kein Geld und kann meine Mutter nicht allein lassen.“ sagte er schließlich. „Niemals wirst du etwas erreichen oder frei sein, wenn du immer an etwas festhältst, was dir nicht die Hand reicht. Du bist doch schon allein.“ Diese Konfrontation machte Gian wütend. „Nicht jeder kann wie du munter herumreisen und komplett auf sich alleine gestellt sein, nur weil man keinem anderen Menschen vertraut. Eigentlich bist du gar nicht so stark! Du tust nur so, um Niemanden an dich heranlassen zu müssen.“ Schockiert von seinen eigenen Worten stockte Gian. „Geh!“ sagte Melinn wütend und enttäuscht. Tränen flossen in ihre Augen und es brach Gian das Herz zu sehen, wie sehr seine Worte das Mädchen verletzt hatten. „Bitte…das war nicht so gemeint.“ Doch Melinn blieb kalt. „Ich will dich nie wieder sehen.“ Die Worte trafen Gian wie Messerstiche.
Auf seinem Heimweg merkte Gian wie seine Augen zu tränen begonnen. Er weinte. Es war das erste Mal in seinem Leben, dass er weinte, weil er fühlte. In seiner Kindheit hatte er ein zwei Mal geweint, wenn sein Vater ihn schlug, doch irgendwann war er so kalt geworden, dass er den Schmerz nicht mehr spürte. Nächsten Freitag würde Melinns Zug abgehen und er würde sie nie wieder sehen. Die nächsten Tage vergingen wie in Zeitlupe. Die Arbeit war hart und sobald er nach Hause kam, stand er am Fenster und blickte auf das blaue kleine Haus am Ende der Straße, in der Hoffnung Melinn zu sehen. Wenn er sie abends sah, rannte er zu ihrem Haus und klopfte und flehte sie an, die Tür zu öffnen. Keine Antwort. Zuhause lief es jeden Tag schlechter. Die Mutter kam jede Nacht betrunken nach Hause und zerstörte in ihrem Rausch die Wohnungstür. Wie sollte er den Schaden bezahlen und was würde der Rübenmeyer sagen, wenn er davon wüsste? Am Donnerstagabend kam die Mutter nicht nach Hause. Den ganzen Abend saß Gian am Fenster und wartete. Ab und zu konnte er Melinns Schatten am Fenstern in dem blauen Haus erkennen, doch auch an diesem Abend öffnete sie ihm nicht die Tür. Er hatte schlecht geschlafen und wurde am Morgen durch ein lautes Rumpeln geweckt. Als er verschlafen die Augen öffnete blickten ihn zwei Polizisten an. Gians erste Gedanken waren bei Melinn. War ihr etwas passiert? Steckte sie in Schwierigkeiten? „Gian, es tut uns sehr leid“, begann der erste Polizist. Gians Körper begann zu kribbeln und Panik breitete sich in ihm aus. „Deine Mutter ist letzte Nacht in der Kneipe verunglückt.“ „WAS?“ Gian konnte es nicht fassen. Das letzte Stück Familie, das er besaß wurde ihm genommen. „Wie…?“ mehr bringt er nicht heraus. „Sie erlag den Folgen ihrer Krankheit.“ Bis um zwei Uhr nachmittags saß Gian auf der Couch und dachte nach. Sein Leben war trostlos. Er hatte so hart gearbeitet, um sich und seine Mutter zu finanzieren und nun war sie tot. Er konnte sich nicht an ein vernünftiges Gespräch mit ihr erinnern. Sein ganzes Leben hatte er mit ihr zusammengelebt, ohne sie zu kennen. Und dann dachte er an Melinn. Sie hatte ihm in der kurzen Zeit so viel Wärme geschenkt und seine Art zu denken komplett verändert. Er durfte sie nicht verlieren. Und sie hatte Recht. Was hielt ihn jetzt noch an diesem Ort, an dieser Wohnung? Und da traf es ihn wie ein Schlag. Er war frei! Nichts hielt ihn mehr und er könnte so Vieles erreichen. „Nein“, sagte Gian zu sich selbst. „Du darfst dieses Mädchen nicht gehen lassen.“ Er blickte auf die Uhr und merkte wie spät es schon war. Niemals würde er Melinn rechtzeitig am Bahnhof abfangen können. Und er hatte nicht mal mit dem Geld aus einem Geheimversteck genug, um sich ein Ticket zu leisten. Doch er wollte es versuchen. So schnell er konnte, stand Gian auf und rannte an dem leeren Türrahmen vorbei, die Treppen herunter auf die Straße. Schnell sprintend lief er weiter bis zu dem kleinen blauen Haus. Die Tür stand offen und er trat hinein. Die Möbel standen noch genauso wie zuvor, doch die Regale waren leer. Sie war weg. Beim Hinaustreten fand er ein Stück Papier neben der Tür. Bei genauerer Betrachtung erkannte er, dass es eine Fahrkarte war. Mit seinem Namen drauf. Melinn hatte ihm tatsächlich ein Ticket für den Zug gekauft. Enttäuscht von sich selbst ließ er sich auf das kleine blaue Sofa sinken. Er war zu spät. Ein plötzlicher letzter Hoffnungsschimmer durchfuhr seinen Körper. Mit einem genaueren Blick betrachtet er das Ticket und war fassungslos. Statt sechzehn Uhr stand auf der Karte achtzehn Uhr. Vor Glück sprang er auf und zerbrach dabei einen der Blumentöpfe. Es war knapp, aber er würde es schaffen. Zum zweiten mal an diesem Tag sprintete er so schnell er konnte aus dem Haus, vorbei an seiner kleinen kaputten Wohnung. Nur ein letztes Mal am Ende der Straße, drehte er sich um und betrachtete das kleine blaue Haus. Dieses Haus schenkte ihm die Freiheit, und das Mädchen zu dem er nun rennen würde, schenkte ihm ein neues Zuhause. Gian wurde Schriftsteller und glücklich mit Melinn. Sie reisten um die ganze Welt mit dem Geld der Bücher. Gian war frei.