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Der Schein trügt

geschrieben von Dilan Ela Sahin.

 

Wisconsin, eine Stadt mit fast 6 Millionen Menschen, und die meisten hatten ein ganz normales Leben. Hier passiert nichts Außergewöhnliches, dachte sich Jennifer Jones jeden Morgen, wenn sie vor der Arbeit im Wald, neben ihrer neuen Wohnung, joggte. Jennifer war eine junge Frau voller Ambitionen. Mit nur 28 Jahren hatte sie es geschafft, sich in der Werbebranche einen Namen zu machen. Ihr Leben schien perfekt: Eine vielversprechende Karriere, eine schicke Wohnung und ein enger Kreis loyaler Freunde. Nach ihrer Runde im Wald ging sie duschen, frisierte ihre Haare, trug etwas Make-up auf und fuhr los, um sich ihren Caramel Latte Macchiato zu holen. Danach ging es in die Firma, denn heute war ein besonders wichtiger Tag: Die Firma, in der sie arbeitete, schloss eine Partnerschaft mit „Contura“, einer sehr angesehenen Werbeagentur, und Jennifer durfte als rechte Hand ihrer Chefin, Katrin, dabei sein. Es war wichtig für Jennifer, gut, gepflegt und intelligent auszusehen. Sie trug daher sogar eine Brille, die sie extra für solche Tage gekauft hatte. Die Brille hatte aber natürlich keine Sehstärke. Angekommen in der Agentur, waren die meisten Kollegen schon da und alle waren schon aufgeregt auf das Ankommen von Mitarbeiten von Contura. Jennifer, ihre Chefin und ein junger Mann aus der Rechtsabteilung saßen an einem großen Glastisch, als zwei Männer hineinkamen: Ein etwas älterer Mann, welcher der Leiter von Contura war, und noch jemand. Er sah aus wie sein Assistent. Der Mann war sehr gutaussehend, trug einen Anzug, welcher ziemlich teuer ausschaute, und eine Tasche. Er hatte braune Locken, blaue Augen und eine gebräunte Haut, als käme er frisch aus dem Urlaub. Jennifer schätzte ihn auf einunddreißig. Bevor die Männer sich setzten, richtete Jennifer noch ihr schwarzes, enges Kleid und ihre blonden Haare. Ihre Chefin stand auf und begrüßte zunächst den älteren Mann: „Roland, mein Lieber. Ich hoffe, ihr habt gut hergefunden.“ Roland reichte ihr die Hand und erwiderte: „Hallo Christina, es gab ein wenig Stau, aber das hat kein Problem für uns dargestellt.“ Sie setzten sich. „Willst du mir vielleicht die hübsche Dame neben dir vorstellen?“, fragte Roland. „Aber natürlich“, antwortete Katrin, „das ist Jennifer Jones. Sie ist meine rechte Hand in der Firma und für ihr junges Alter wirklich sehr talentiert. Sie wird es noch sehr weit bringen.“ Jennifer freute sich über die Schmeicheleien „Das hoffe ich doch“, sagte sie lächelnd. „Ja, also das ist mein Assistent Ryan. Er ist wirklich der Beste, den ich je hatte, auch wenn er manchmal etwas verpeilt sein kann. Aber genug davon, lass uns zum eigentlichen kommen und die Sache schnell hinter uns bringen. Wo genau muss ich unterschreiben?“, fragte Roland und suchte auf dem Zettel den Platz, wo seine Unterschrift benötigt wird. Der Typ aus der Rechtsabteilung zeigte mit seinem Finger auf die Stelle. Katrin unterschrieb auch, und sie besprachen noch einige Sachen. Währenddessen bemerkte Jennifer Blicke, die auf sie fielen. Es war der gutaussehende Typ, Ryan, der sie so anguckte. Er schaute, als würde er sie analysieren. Als würde er in sie hineingucken und alles, was ihr durch den Kopf ging, all ihre Geheimnisse lesen. Jennifer versuchte es aber so wenig wie möglich zu beachten. Sie wollte auf jeden Fall einen unangenehmen Augenkontakt vermeiden. Trotzdem hatte sie ein unerklärliches Verlangen, ihn anzugucken. Doch sie blieb standhaft. Der Vertrag war unterschrieben, und Katrin lud ihre neuen Partner ein: „So, da wir ja jetzt offiziell Partner sind, lade ich euch heute Abend in eine Bar ein. Natürlich geht es auf mich. Ich schicke dir dann die Adresse, Roland.“ Daraufhin verabschiedeten sie sich.

Am Abend machte sich Jennifer besonders schick. Sie trug einen schwarzen Bleistiftrock und darüber eine weiße Bluse. Ihre Haare band sie zu einem strengen Zopf. Ihr Make-up ließ sie noch dezent, zwar stärker als heute Morgen, aber dennoch dezent. Sie wartete auf ihre zwei besten Freundinnen, Vanessa und Emily, die sie in der Agentur kennengelernt hatte. Seit zwei Jahren waren sie wie unzertrennlich. Als Emily und Vanessa ankamen, riefen sie Jennifer runter. Sie stieg hinten in Emilys Auto ein und die drei fuhren los. Die Bar, in die sie eingeladen waren, lag im Herzen der Stadt. Ein eleganter Ort mit gedämpftem Licht, leiser Jazzmusik und einem Hauch von Exklusivität, der den Gästen das Gefühl gab, etwas Besonderes zu sein. In der Bar angekommen, zog Jennifer ihren langen Mantel aus und begrüßte jeden. Ihre Augen fielen direkt auf Ryan, der sich gerade mit einem ihrer Kollegen unterhielt. Doch zunächst kam es zu keinem Gespräch zwischen ihnen. Sie setzte sich mit einigen aus der Agentur an einen Tisch am Rande der Bar. Ihre Freunde plauderten munter, doch Jennifer konnte aus irgendeinem Grund nicht aufhören, an Ryan zu denken. Auch wenn am Morgen nichts passiert war, rein gar nichts. Sie hatten nicht mal ein Wort, außer vielleicht ein „Hallo“, miteinander ausgetauscht. Doch trotzdem schwirrte er in ihrem Kopf herum. Irgendwas an ihm hatte sie tief beeindruckt. Auf einmal hörte Jennifer jemanden ihren Namen rufen. Es war Roland. Er saß mit Ryan und einigen anderen Mitarbeitern an einem großen Tisch. „Hallo Jennifer, komm doch mit deinen Freundinnen hier her. Dann können wir uns ein wenig unterhalten.“ Roland wies dabei auf die freien Plätze. Jennifer setzte sich neben Ryan, der sie mit einem charmanten Lächeln begrüßte. Die Gespräche flossen leicht dahin, und Jennifer bemerkte, wie Ryan immer wieder verstohlene Blicke in ihre Richtung warf. Ihr Herz schlug schneller, als er sich ihr schließlich zuwandte und fragte: „Was ist Ihre Meinung zu unserer neuen Partnerschaft?“ – „Ich denke, es ist eine großartige Chance für beide Seiten“, antwortete Jennifer professionell. Doch in ihrem Inneren spürte sie eine ungewohnte Aufregung, denn sie fühlte sich von Ryan angezogen, konnte sich jedoch nicht erklären, warum. „Wohnst du eigentlich schon dein ganzes Leben in Wisconsin?“, fragte Ryan neugierig. „Ne, ich komme ursprünglich aus einer Großstadt, Chicago. Aber als mich die Agentur angerufen hat wegen einem Jobangebot, bin ich hierhergezogen. Was ist mit dir? Lebst du schon lange hier?“, fragte Jennifer. Ryan erwiderte: „Ja, schon mein ganzes Leben. Ich wollte immer in eine andere Stadt ziehen, aber es ist nie dazu gekommen.“ Als der Abend voranschritt, vertiefte sich ihr Gespräch und Jennifer fing an, sich in Ryans Charme zu verlieren.

Einige Wochen später war Jennifer fest in ihrem Alltag eingebunden. Ihre Karriere machte weiter Fortschritte, und gleichzeitig verbrachte sie immer mehr Zeit mit Ryan. Zunächst trafen sie sich nur beruflich, doch was als berufliche Bekanntschaft begann, entwickelte sich schnell zu einer romantischen Beziehung. Jennifer war überglücklich. Sie war auf Wolke sieben. Sie fühlte sich nach langem wieder lebendig und geliebt. Ryan war der Mann ihrer Träume. Er plante jedes Mal besondere und auch spontane Dates, brachte Kleinigkeiten wie Blumen oder Jennifers Lieblingsschokolade mit und überschüttete sie mit Aufmerksamkeit und Liebe. Er war einfach perfekt. So schien es zumindest.

An einem Samstag wollten Ryan und Jennifer sich treffen. Ryan wartete unten im Auto auf sie. Er rief Jennifer an und sie zog ihren Mantel und ihre Stiefel an. Sie sprühte sich noch etwas mit Parfüm ein und ging runter zum Auto. Jennifer war wie bei jedem Treffen am Anfang aufgeregt und ihr Herz klopfte. Sie öffnete die Autotür und stieg ein. Ryan sah wie immer gut aus. Jennifer liebte besonders seinen Duft. Er hatte einen einzigartigen Duft. „Fuck, ich habe die Blumen vergessen!“, rief Ryan auf einmal. „Ist doch nicht schlimm. Wie süß, dass du …“ Jennifer wollte gerade weiterreden, als sie von Ryan unterbrochen wurde: „Doch. Es ist schlimm.“ Er drehte mitten auf der Straße um. Die Stimmung war plötzlich nicht mehr so romantisch wie sonst. Mit mehr als 200 km/h fuhr er auf der Autobahn. Ryan hatte plötzlich eine dunkle Aura und Jennifer fühlte sich unwohl. Sie hielten dann unmittelbar vor dem Café, in dem Ryan die Blumen vergessen hatte, an. „Du wartest im Auto!“, befahl Ryan Jennifer und so schnell wie er es aussprach, so schnell war er auch schon weg. Jennifers Fenster war noch etwas geöffnet, da ihr noch sehr warm war von dem Adrenalin als Ryans Beifahrerin. Nach einigen Minuten kam ein junger Mann an Jennifers Fenster, lehnte sich an das Auto und sagte: „Ach, du bist die, für die Ryan die Blumen gekauft hat.“ Jennifer antwortete: „Ja, ich will es hoffen“ und lächelte. „Ein sehr süßes Mädchen bist du“, erwiderte der Mann. Jennifer konnte sich nicht bedanken, denn da war Ryan schon zurück. Er stieg ein und der junge Mann, der sein Freund zu sein schien, nahm seine Hände wieder von seinem Wagen. Ryan schaute zu seinem Freund, durch Jennifers Fenster und lächelte. Jennifer blickte zu Ryan und kurz bevor ihr Kopf vollständig in seine Richtung schaute, gab Ryan ihr vor seinem Freund und vor allen anderen, die es sonst mitbekamen, vor dem Café eine Backpfeife und lächelte dabei. Er sagte daraufhin: „Wenn du dich demnächst wie eine Nutte verhalten willst, dann nicht in meinem Auto.“ Sie fuhren los. Jennifer war schockiert. Sie blieb ruhig und alles in ihr versuchte zu verstehen, was sie falsch gemacht hatte. Die Blumen legte Ryan auf ihre Oberschenkel – es waren die traurigsten Blumen, die sie je bekommen hatte. Jennifer lief eine Träne über ihre brennende Wange. Ihr Kopf wurde ganz heiß und sie hörte noch immer ein Piepen in ihrem Ohr. Ab diesem Moment verlief alles in Zeitlupe für sie. Es war, als ob sie innerlich gestorben wäre. Sie schämte sich für das, was passiert war, auch wenn sie wusste, dass sie keine Schuld traf. Sie wollte nach Hause. Doch Ryan fuhr sie nicht. Das war das erste große Warnzeichen. Eigentlich sogar viel mehr als das. Jennifer merkte, dass in Ryans Schweigen wahrscheinlich noch ein wenig Reue lag. Zumindest hoffte sie das. Und tatsächlich kamen nach wenigen Minuten die ersten Worte aus Ryans Mund: „Es tut mir leid. Ich liebe dich einfach so sehr, dass ich mich nicht unter Kontrolle hatte. Ich wollte gegenüber meinen Freunden ein Zeichen setzen, dass du mir gehörst und keiner dich ansprechen soll. Genauso ist es auch ein Zeichen für dich, dass du einfach ruhig sein und in meinem Auto nur auf mich warten sollst.“ Seine Entschuldigung war nichts anderes, als eine Begründung dafür, dass Jennifer das verdient hatte, was geschehen war und dass es nicht noch mal vorkommen würde, wenn Jennifer sich angemessen verhalten würde. Dies ist ein sehr typisches Verhalten von toxischen Menschen. Sie geben einem das Gefühl, sich zu entschuldigen, um fair zu wirken, aber in diesen Sätzen finden sich nur Konfrontationen und Schuldzuweisungen wieder. Wenn man sie dann darauf aufmerksam macht, diskutiert man nur noch mehr und es weitet sich aus und man diskutiert wegen ganz neuen Sachen. Weil Jennifer das zu dem Zeitpunkt nicht wusste, diskutierte sie gegen ihn an und musste es dann erleben. Die Vorwürfe, die Ryan Jennifer gemacht hat, taten ihr mehr weh, als dieser eine Schlag. Als wäre das alles nicht schon schlimm genug gewesen für sie meinte Ryan: „Ich fahre dich nicht nach Hause. Ich hatte für uns einen schönen Kinotag geplant und den will ich mir durch sowas nicht kaputt machen lassen.“ Jennifer nahm es nicht einmal ernst. Für sie war der Tag schon gelaufen und sie war sich ziemlich sicher, dass er sie nach Hause fahren würde. Sie hatte sich schon ausgemalt, wie sie seine Nummer löschen und sich nie wieder bei ihm melden würde. Doch sie merkte, dass er nicht in ihre Richtung fuhr. „Fährst du jetzt ernsthaft ins Kino?“, fragte Jennifer. Er antwortete: "Ja, ich habe gesagt, ich mach das wieder gut und ich will mich damit entschuldigen.“ – „Guck dir meine Wange an. Guck dir mich an. Ich kann nicht“, antwortete Jennifer mit Tränen in den Augen. Aber Ryan bestand drauf. Für Jennifer war der Abend gelaufen, aber Ryan wollte seinen Plan durchziehen. Jennifer konnte sich nicht erklären, wie man nach so einer Situation etwas zusammen unternehmen wollte. Und nachdem sie ihn hundert Mal darum bat, sie nach Hause zu fahren und er zu ihr zum hundertsten Mal sagte, dass er das nicht tun würde, lies sich Jennifer darauf ein, diesen Film mit ihm zu schauen. Einfach, damit es so schnell wie möglich aufhörte und sie danach nach Hause konnte und nicht mit ihm reden musste. Als sie nach der stillen Fahrt dann endlich Zuhause ankam, schlief sie direkt ein. Sie musste das, was passiert ist, erstmal verarbeiten.

 

Etwas Seltsames passiert, wenn Menschen verliebt sind: Sie blenden das Schlechte aus. Sie merken, dass ihnen unrecht angetan wurde. Selbst wenn der Kopf versucht, es zu ignorieren, spürt man den Schmerz und man ist traurig. Das, was einem an der Person nicht gefällt, passt nicht zusammen mit dem Bild, das man von der Person haben möchte. Also kreuzen sich Traum und Realität. Wenn man schlau ist, entscheidet man sich für die Realität und akzeptiert, dass man dachte, die Person sei anders, sie es aber nicht ist. Wenn man aber verliebt ist, fängt der Kopf plötzlich an, die Realität zu verändern und sucht nach Ausreden, diese Person weiterhin in seinem Leben zu behalten. „Er ist ja sonst nicht so. Er war einfach wütend“, redet man sich selber dann ein. So war es auch bei Jennifer. Sie verzieh Ryan, denn „es war ja nur das eine Mal“. Doch leider blieb es nicht nur bei diesem einen Mal. Im Laufe der Zeit kamen noch einige solcher Fälle vor, wie zum Beispiel, dass Ryan sie „aus Versehen“ in einem Streit schubste oder einmal eine heftige Diskussion anfing, nur weil Jennifer ihren Standort nicht in ihrer App mit ihm teilen wollte. Doch Ryan fand jedes Mal eine Entschuldigung dafür – und Jennifer verzieh ihm auch jedes Mal.

Dieses Verhalten von Ryan sorgte oftmals dafür, dass Jennifer nicht zur Arbeit gehen konnte, damit niemand ihre Platzwunde am Kopf oder blauen Flecken am Arm sah. Dies beeinträchtigte ihre Karriere stark und auch ihrer Chefin Katrin gefiel das auch nicht besonders. Jemand auf der Arbeit nahm sogar ihren Platz als „rechte Hand“ von Katrin ein, aber Jennifer wusste nicht, wer das war. Denn eigentlich war das doch schon immer ihr Platz gewesen. Nur, weil sie momentan eine schwere Zeit durchmachte, musste man sie doch nicht direkt ersetzen. Diese Sachen gingen Jennifer ständig durch den Kopf, doch sie machte sich nicht allzu große Gedanken darum. Sie hatte schließlich andere Probleme. Auch, wenn ihr früher nie etwas wichtiger war, als ihre Arbeit. Die Zeiten hatten sich geändert.

Eines Tages, bei einem Mittagessen mit Emily und Vanessa, sprach Jennifer das erste Mal darüber. „Ryan ist manchmal so schwer zu verstehen“, sagte sie und starrte gedankenversunken in ihre Kaffeetasse. „Was meinst du damit?“, fragte Vanessa neugierig. Jennifer zögerte: „Manchmal wird er sehr wütend wegen Kleinigkeiten. Aber er entschuldigt sich immer danach.“ Vanessa und Emily tauschten besorgte Blicke aus. „Jen, du solltest vorsichtig sein“, sagte Emily sanft. „Niemand sollte dich so behandeln.“ Jennifer stimmte dem zwar zu, denn sie wusste, dass sie Recht hatte, doch trotzdem war sie noch nicht bereit, die Realität zu akzeptieren. Sie glaubte einfach, dass sie ohne Ryan nicht glücklich sein könnte. „Vielleicht ist er einfach nicht der Richtige für dich Jen. Du könntest bessere haben. Verlass ihn einfach“, fügte Vanessa noch hinzu. Ich weiß zwar nicht genau, was zwischen euch vorgefallen ist, aber so wie du dich in der letzten Zeit verhältst und von dem, was du jetzt sagst, kann ich es mir denken. Ich würde dir wirklich raten, zur Polizei zugehen“, empfahl Emily ihr. Kurz bevor Jennifer ihren Mund aufmachte, um etwas dazu zu sagen, meldete sich Vanessa zu Wort: „Nein, also das ist wirklich zu übertrieben. Vertrau mir, Jen, die Polizei würde da auch nicht viel machen. Deshalb, hör lieber auf mich und verlass ihn einfach.“ – „Ja, aber das ist leichter gesagt als getan“, erwiderte Jennifer mit einem traurigen Blick. „Ich liebe ihn doch. Und ich glaube wirklich, es liegt daran, dass er momentan zu viel Druck auf der Arbeit hat. Und wenn ich ehrlich bin, war mein Verhalten auch nicht immer besonders gut. Ich glaube das braucht einfach seine Zeit.“

Am nächsten Morgen war Jennifer wieder bereit, zur Arbeit zugehen. Also lief sie wie jeden Morgen ihre Runde im Wald und fuhr schließlich los. Als sie dann, wie sonst auch immer, ihren Caramel Latte Macchiato, holen wollte, sah sie beim Aussteigen, auf der anderen Seite der Straße, Vanessa. Sie kam gerade aus einer Bäckerei. Jennifer wollte gerade ihren Namen rufen und ihr winken, um auf sich aufmerksam zu machen, doch es kam unmittelbar hinter ihr noch jemand raus. Ryan! Jennifer fragte sich, was er hier tat, doch kurz danach sah sie etwas, das ihr Leben veränderte. Vanessa drehte sich um, gab Ryan einen Kuss auf den Mund und ging dann in die andere Richtung. Jennifer wurde auf einem Mal ganz schwindelig und schlecht. Sie setzte sich wieder in ihr Auto. Sie konnte nicht fassen, was sie gerade gesehen hatte. Immerhin waren es die Person, die sie liebte und ihre sogenannte beste Freundin. Sie konnte ihre Gefühle nicht zurückhalten und fing an zu weinen. Sie wusste nicht was sie tun sollte. Doch sie entschied sich, zunächst in die Firma zufahren. Als sie ankam, wurde sie direkt von Katrin begrüßt: „Jennifer, meine Liebe“, rief sie, „es freut mich, dich wiederzusehen. Wie geht es dir? Vanessa hat mir erzählt, dass es viel zu stressig für dich war, meine rechte Hand zu sein, und du dir gewünscht hast, dass sie den Job übernimmt. Tut mir sehr leid, wenn es zu anstrengend für dich war. Vielleicht habe ich dich ja etwas überschätzt.“ „Vanessa übernimmt jetzt meinen Job?“, fragte Jennifer schockiert. Katrin antwortete: „Ja, ich dachte das wolltest du so.“ Jennifers Wut brodelte in ihr. Sie konnte nicht glauben, wie sehr sie hintergangen wurde. Doch sie entschied sich mitzuspielen: „Ach ja, stimmt. Hatte ich ja völlig vergessen. Katrin, ich glaube ich fühl mich wieder nicht so gut. Tut mir leid, ich muss wieder gehen …“ Jennifer wusste, was zu tun war. Sie hat Ryan lange genug verziehen. Aber jetzt reichte es. Sie wollte sich so etwas nicht weiter gefallen lassen. Also fuhr sie zu Ryan nach Hause. Sie wusste, dass er gerade in der Firma war und hatte einen Schlüssel für seine Wohnung. Sie packte so schnell wie möglich ihre Sachen, die sie dort gelassen hatte und fuhr wieder nach Hause. Sie hatte keine Kraft mehr, hier zu bleiben. Sie wollte verschwinden. Also packte sie auch dort die wichtigsten Sachen ein. Gerade als sie los gehen wollte, kam Ryan. „Wohin willst du?“, fragte er. Da Jennifer Angst vor seiner Reaktion hatte, wenn er erfahren würde, dass sie wegging, log sie ihn an: „Ich fliege nach Chicago. Meine Mutter ist im Krankenhaus und sie braucht mich.“ Ryan glaubte ihr nicht. Es schien so, als würde er wissen, dass Jennifer alles erfahren hatte und auch, als würde er wissen, was sie jetzt vorhatte: „Ach komm Jennifer, ich kenn dich. Lüg mich nicht an.“ – „Ich lüg dich nicht …“, begann sie, doch sie konnte nicht zu Ende sprechen, denn schon spürte sie, wie sie auf das Sofa hinter ihr geschubst wurde. „Du gehst nirgendwo hin, hast du mich verstanden!“, schrie Ryan mit einer beängstigenden Stimme. Plötzlich klingelte Ryans Handy. Kurz ging er vor die Tür, um den Anruf anzunehmen. Als er wieder kam, war das ganze Wohnzimmer mit Blut beschmiert und es gab keine Spur von Jennifer. Ryan war schockiert. Er beugte sich nach unten, um am Blut zu riechen und zu prüfen, ob es auch wirklich Blut war. Kurz danach klopfte jemand an die Tür. Er dachte, dass es vielleicht Jennifer sein könnte, die ihm nur einen Streich gespielt hatte. Doch so war es nicht. Es war die Polizei und Emily, die ihn anscheinend wegen seiner Gewalttätigkeit gegenüber Jennifer angezeigt hatte. Als die Polizei das ganze Blut an seinen Händen sah und auch in der Wohnung, verhafteten sie Ryan direkt, wegen dem Verdacht des Mordes an Jennifer. Die Polizei nahm an, dass er sich der Leiche entledigt hatte und war fest davon überzeugt, dass sie tot war. Denn nachdem nachgewiesen wurde, dass es auch wirklich Jennifers Blut war, stellten sie fest, dass keiner, der so viel Blut verloren hatte, noch am Leben sein konnte. Nach einem langen Gerichtsprozess kam Ryan dann schließlich ins Gefängnis. Vanessa wurde gefeuert, da ihre Affäre mit Ryan, der nun in Haft war, rauskam. Katrin konnte solch ein unloyales und hinterhältiges Verhalten nicht dulden. Es wäre auch schlecht für den Ruf der Agentur gewesen.

Viele fragten sich noch, was mit Jennifers Leiche passiert war. Die Antwort ist: Gar nichts. Denn Jennifer liegt gerade an einem Strand in Monaco und schlürft Piña Coladas. Als sie das Mit Vanessa und Ryan erfuhr, wusste sie, dass sie einen Schlussstrich ziehen musste, also rief sie Emily an und erzählte ihr die ganzen Geschehnisse. Gemeinsam schmiedeten sie einen Plan: Jennifers Tod zu inszenieren. Jennifer wusste genau, dass in Ryans Wohnung eine Kamera installiert war. Daher ging sie zuerst zu ihm, damit er direkt zu ihr nach Hause kommen würde. Sie wusste auch, dass er sie nur über seine Leiche gehen lassen würde. Also rief Emily Ryan anonym an. Währenddessen hatte Jennifer ihr Blut in der Wohnung verteilt. Tagelang hatte sie sich Blut abnehmen lassen, vorgeblich, um es zu spenden, in Wirklichkeit aber, um es für sich zu nutzen. Es sollte so aussehen, als hätte sie ihr Blut in ihrer Wohnung verloren. Während Ryan draußen telefonierte, hatte sie das Blut in der Wohnung verteilt und war aus dem Fenster geflohen. Unten hatte ein guter alter Freund auf sie gewartet und sie waren gemeinsam zu einem Privatflugzeug gefahren, um ins Ausland zu fliegen. Emily sorgte dafür, dass Ryan verhaftet und Vanessa gefeuert wurde. Dafür sprach sie mit Katrin und redete ihr ein, dass es ein schlechtes Licht auf sie, als Arbeitgeberin, werfen würde, wenn so jemand noch weiter in der Agentur arbeiten würde. Jennifer war mehr als glücklich. Sie lernte aus ihren Fehlern in der Vergangenheit und baute sich ein neues Leben direkt am Strand auf. Am glücklichsten machte sie es, dass ihr Plan aufgegangen war und jeder das bekam, was er verdient hatte.

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