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Wieder vereint

geschrieben von Nick Schwarz.

 

1. Akt

 

Der Geschmack von Blut berührte meine Zunge, als ich mit starken Kopfschmerzen auf dem kalten Boden meines Zimmers aufwachte.

Nach ein paar Minuten stand ich dann endlich auf und schaute mich um. Mein Zimmer war dunkel, das Rollo war unten, und aus dem Fenster hörte ich ein leichtes Rauschen. Ich guckte mich in meinem Spiegel an und bemerkte, dass meine Nase blutete. 

Bin ich aus dem Bett gefallen?

Auf einmal hörte das Rauschen auf und ich hörte nur noch ein leichtes Kratzen an meiner Zimmertür und ein schmerzerfülltes Stöhnen, das so klang, als ob jemand schwer verletzt ist. Das Kratzen und Stöhnen machte mir Angst, weswegen ich mich schnell ins Bett legte und unter der Decke versteckte.

„Alex komm runter zum Frühstück, du musst heute noch zur Schule!“ Auf einmal wachte ich schweißgebadet und ohne Atem in meinem Bett auf.

„Alex, komm jetzt runter!“, rief meine Mutter von unten aus der Küche. Ich brauchte ein bisschen, bis ich mich eingekriegt habe, bis ich mir ein Hemd anzog und runter in die Küche gegangen bin.

Unten angekommen, setzte ich mich auf einen Stuhl und nahm mir ein Brot. Während ich mein Brot mit Butter bestrich, dachte ich über meinen Traum nach. Ich redete am Tisch nicht, aber das tat ich seit dem Unfall mit meinem Vater eh nur wenn ich angesprochen wurde. Ich bekomme das Bild von meinem verletzten Vater seitdem nicht mehr aus dem Kopf. Wie er da lag… Mitten auf der Straße. Blutüberströmt. Gebrochene Gliedmaßen und ein zerquetschter Oberkörper.

Ich gebe mir immer noch die Schuld dafür. Nur weil mein Ball auf die Straße gerollt ist und er ihn zurückholen wollte.

Dieser verdammte Lastwagen.

„Alles okay, Alex?“ fragte mich mein kleiner Bruder Liam. „Ja, hab nur schlecht geschlafen.“ Ich aß mein Brot auf, stand auf und ging ins Badezimmer um zu duschen und Zähne zu putzen. Als ich damit fertig war, ging ich in mein Zimmer und zog mich an. Ich nahm meinen Rucksack, setzte meine Kopfhörer auf und fuhr mit meinem Skateboard in die Schule.

Den ganzen Tag konnte ich mich in der Schule nicht konzentrieren, saß nur auf meinem Platz und dachte über meinen Alptraum nach. Ich wollte unbedingt wissen, wer oder was da an meiner Zimmertür gekratzt hat.

Am Nachmittag kam ich wieder nach Hause und verbrachte den restlichen Tag mit TikTok und Instagram während ich in meinem Bett lag. Dass ich irgendwann einschlief, merkte ich nicht. 

Das nächste was ich bemerkte, waren wieder der Geschmack von Blut, starke Kopfschmerzen und der kalte Boden meines Zimmers auf dem ich lag. Wieder hatte ich Nasenbluten. Schon wieder der gleiche Alptraum?

Ich stand auf. Mein Zimmer sah gleich aus, dunkel, Rollo unten, diesmal war das Rauschen lauter. Ich wollte wissen was dieses Rauschen war. Ich ging auf das Fenster zu. Je näher ich trat, desto lauter wurde das Rauschen und die Kopfschmerzen wurden schwerer. Das war mir aber egal denn ich wollte wissen was dieses Rauschen verursacht. Als ich dann am Band des Rollos zog um es hoch zu ziehen, merkte ich am Licht das durch die kleinen Risse des Rollos durchschien, das irgendwas nicht stimmt.

Das Licht war rot.

 

2. Akt

 

Ich zog das Rollo hoch und das Blut gefror in meinen Adern. Der Himmel war blutrot und Die Wolken pechschwarz. Es kamen Blitze, aber kein Donner. Ich hörte nicht mal den starken Regen, der auf die Erde viel.

Das einzige, was ich hörte, war dieses laute, unangenehme und Kopfschmerzen machende Rauschen. Dieser Anblick machte mir Angst. Ich rief nach meiner Mutter aber es kam keine Antwort. Ich ging zu meinem Lichtschalter und versuchte das Zimmerlicht anzumachen, aber es ging nicht an.

Nach langer Überwindung schnappte ich mir eine Taschenlampe und machte meine Tür auf. Dahinter sah alles normal aus, als ob ich zuhause wäre, aber irgendwas sagte mir, dass ich es nicht war. Ich ging die Treppe runter und kam ins Wohnzimmer. Wie bereits in meinem Zimmer waren die Gardinen zu, ich hörte nur dieses seltsame Rauschen und die Lichter gingen nicht an.

Ich ging zum Wohnzimmertisch und nahm die Fernbedienung vom Fernseher in die Hand. Ich drückte auf der Fernbedienung rum. Aber anscheinend hatte das ganze Haus kein Strom, denn ich hörte nicht mal dieses leise Geräusch das normalerweise vom Kühlschrank kam. Ich ging noch ein bisschen im Haus rum, um nach Antworten zu suchen, fand aber nichts.

Als ich mich danach auf das Sofa im Wohnzimmer setzte, bekam ich auf einmal Gänsehaut. Das Rauschen war weg. Ich wusste was jetzt kommt. Es fing an. Ich hörte das Stöhnen, nur dieses Mal war es nicht nur ein Stöhnen, sondern ein grauenhaftes Schreien, das aus der Richtung der Haustür kam. Es kam immer näher. Ich traute mich nicht durch das Fenster zu gucken. Dann fing das Kratzen wieder an. Ich war vor Angst wie gelähmt und starrte zur Haustür, die sich wegen dem Klopfen dieses Wesens ein wenig bewegte. Mir fiel ein, dass die Haustür, seitdem hier vor ein paar Jahren eingebrochen worden war, immer abgeschlossen war. Eigentlich sollte ich also sicher sein.

Der Gedanke machte mir ein wenig Mut, und ich stand auf und näherte mich der Haustür. Manchmal klangen die Schreie wie „Alex“ oder „Es ist alles deine Schuld“, als ob es mich rufen würde.

Als ich dann vor der Tür stand, zögerte ich nicht und blickte durch das Guckloch. Ich traute meinen Augen nicht. Mir kamen Tränen. Ich merkte wie mein Blut gefror. Tränen liefen mir über die Wangen, und ich ging langsam rückwärts von der Tür weg. Vor der Tür stand mein Vater und er sah genauso aus, wie an dem Tag des Unfalls. Als ich ihn da auf der Straße liegen gesehen habe. Blutbeschmiert, Arme, Beine und Genick gebrochen, Oberkörper zerquetscht Mit Reifenspuren auf dem zerfetzten Shirt.

Und das Gesicht ist voller Blut und großen Kratzern. Als ich durch das Guckloch sah, hörte er mit dem Kratzen und Schreien auf und sah mich ebenfalls durch das Loch an. Als ich rückwärts von der Tür wegging, passte ich nicht auf und stolperte über mein Skateboard, welches ich gestern nach der Schule vergessen hatte mit auf mein Zimmer zu nehmen.

Ich fiel und landete mit meinem Kopf auf dem Boden.

Alles wurde Schwarz.

 

„Alex Frühstück!“, rief meine Mutter aus der Küche. Ich wachte mit einem leisen Schrei in meinem Bett auf. Ich war wieder schweißgebadet und außer Atem. Ich fing an zu weinen, versteckte mich unter meiner Decke und dachte über diesen sich wiederholenden Alptraum nach. Ich fühlte mich durch diesen Alptraum nur noch schuldiger, da nun die letzten Worte meines Vaters an mich „Es ist alles Deine Schuld!“ waren.

Meine Mutter kam in mein Zimmer um zu fragen wo ich bleibe, aber als sie die Decke vom Bett riss und mich dort weinen sah, blickte sie mich geschockt an. „Was ist los Alex, alles gut?“

„Ja“, schluchzte ich. „Ich habe nur einen schlechten Traum gehabt.“

„Sicher? Was hast du denn geträumt?“, fragte sie besorgt und streichelte mir dabei durch meine durchgeschwitzten Haare.

„Ich will nicht drüber reden“, antwortete ich, während ich meinen Kopf gegen sie drückte und sie meinen Kopf umarmte. Mir war wieder nach Weinen, aber verkniff es mir, damit meine Mutter nicht nochmal fragte.

Nach ein paar Minuten beruhigte ich mich, und wir gingen runter in die Küche. Wir saßen zu dritt alle zusammen am Esstisch und aßen Rührei mit Speck, weil es Samstag war, und meine Mutter Zeit zum Kochen hatte, da sie am Wochenende nicht arbeiten musste.

Als wir dann unser Rührei aßen, sagte meine Mutter irgendwann „Du hast heute deinen Psychiatertermin. Du kannst ihr ja dann erzählen wie Du geträumt hast.“

Ich überlegte was ich antworten sollte. Ich wollte nicht, dass meine Mutter denkt, dass ich nicht mit ihr reden wollte. Das stimmt nämlich nicht. Ich kann es ihr nur nicht sagen, weil sie auch noch sehr um Papa trauert, und ich nicht will, dass sie sauer oder traurig wird und anfängt zu weinen oder so. Es kam nur ein leises „Okay“ aus mir raus, denn ich war immer noch ziemlich geschockt und in Gedanken. Danach haben wir nicht mehr über dieses Thema geredet.

Der einzige der Gespräche anfing, war Liam, der von seinem neuen Lieblingsdinosaurier erzählte. Liam ist 8 Jahre alt, also worüber sollte er sonst reden. Ich ging ohne meinen Teller aufzuessen nach oben, um mich fertig zu machen. Weil ich über nichts anderes nachdachte, als über die Begegnung mit meinem verstorbenen Vater, putzte ich mir nicht die Zähne, ging nicht Duschen und zog dasselbe Outfit wie gestern an.

Ich bin mir sicher dass es nicht nur ein Traum war, es hat sich nicht wie ein Traum angefühlt. Das alles war viel zu echt. Ich sehe meinen Vater noch immer vor meinen Augen. Wie er vor mir steht. Mit seinem zerfetzten Körper und offenen Wunden. Das halbe Gesicht verschrammt. Er schreit mich an mit seiner wimmernden schmerzhaften Stimme „Es ist alles deine Schuld!“.

 

Meine Mutter klopft an der Tür: „Alex, du kommst zu spät zu Deinem Termin!“ Ich komme zu mir und gucke auf die Uhr. Verdammt, ich sitze seit einer Stunde auf meinem Bett. Ich muss jetzt los. Da es schon zu spät war um mit dem Skateboard zu fahren, meinte meine Mutter. dass sie mich mit dem Auto fährt. Während der Autofahrt lief keine Musik und wir haben auch nicht geredet. Die ganze 40 Minuten Fahrt lang. Als wir bei der Praxis meiner Psychiaterin angekommen sind, bedankte ich mich bei meiner Mutter und sagte ihr, dass ich den Bus nehme, um Nachhause zu fahren.

 

Als ich durch die Tür ins Zimmer kam saß meine Psychiaterin, Frau Engelmann schon auf ihrem Sessel und sagte: „Hallo Alex, setzt Dich doch.“

Das tat ich auch. Als wir dann gegenüber saßen fragte sie „Wie geht es Dir, Alex?“ Ich zuckte nur mit den Schultern und sagte: „Hm, gut“

„Wirklich?“, fragte Frau Engelmann und trank einen kleinen Schluck Tee aus ihrer Tasse. „Ich träume schlecht“, meinte ich und guckte dabei auf den Boden. „Was träumst du denn Alex?“, fragte sie und stellte ihre Tasse auf den Tisch. „Ich träume von meinem Vater der genauso aussieht, wie am Tag seines Unfalls. Und er kratzt an meiner Tür und schreit voller Schmerzen. Außerdem sagte er, dass alles meine Schuld sei.“

Meine Psychiaterin guckte mich besorgt an und versucht sich dieses Szenario vorzustellen. Sie kannte meinen Vater, denn mit ihm bin ich das erste Mal bei ihr gewesen. Sie war sogar bei der Beerdigung dabei. „Wiederholen sich diese Träume Alex?"

Ich schaute sie verwundert an und fragte mich, woher sie das weiß. „Ja, woher wissen sie das?“, fragte ich und setzte mich aufrecht hin.

„Das ist leider bei vielen so.“

Ich war ein bisschen besorgt. „Hat das irgendwelche Folgen?“, fragte ich.

„Leider ja. Viele, die solche sich wiederholenden Träume angesichts eines gewissen Traumas aus der Kindheit haben, leiden kurze Zeit danach an Schizophrenie“, erklärte Frau Engelmann während sie in ihren Unterlagen rumsuchte.

„Was ist Schizophrenie?“, fragte ich besorgt.

„Wahnvorstellungen, die so extrem werden können, das mache Leute von ihnen verrückt werden. Hier ein Fragebogen den du, wenn du wieder diesen Traum hast, ausfüllen sollst.“ Ich guckte auf den Bogen den sie mir gegeben hatte. Auf ihm stand das ich die Balance zwischen Traum und Realität behalten muss. Ich fragte mich, was das bedeuten soll und machte mir Sorgen, dass diese Schizophrenie noch schlimmere Folgen haben kann.

Als die Sitzung vorbei war, verabschiedete ich mich, ging aus dem Haus und stieg in den Bus. Ich war müde. Ich musste lange fahren aber zum Glück musste ich nicht umsteigen. Ich setzte meine Kopfhörer auf, machte meine Musik an und lehnte meinen Kopf am Fenster an. Nach ungefähr 5 bis 10 Minuten schlief ich ein. Das wollte ich ja eigentlich verhindern.

Als ich aufwachte, war ich nicht im Bus. Ich lag auf dem Boden in meinem Haus. Da wo ich über das Skateboard gestolpert bin. Ich guckte zu der Haustür, und mein Herz blieb stehen. Sie war offen. Ich hörte kein Rauschen. Ich bin hier in diesem Haus gefangen. Mit Ihm!

Schnell stand ich auf und guckte mich ihm Haus um. Niemand da. Als ich nach oben in mein Zimmer ging und aus dem Fenster sah, traute ich meinen Augen nicht. Draußen im Vorgarten stand mein Vater. Mit mir. Ich sah jünger aus und wir spielten Ball. Oh nein, ich weiß, was jetzt kommt. Ich versuchte mein Fenster aufzureißen und meinem Vater zuzurufen, nicht dem Ball hinterher zu rennen, aber es ging nicht. Schnell rannte ich nach unten, aber die Haustür war zu und ging nicht auf. Ich versuchte sie einzuschlagen, aber es fühlte sich so an, als wäre sie aus Stahl. Das versuchte ich auch bei allen Fenstern. Voller Tränen klopfte ich so dolle ich konnte ans Fenster und schrie meinen Vater an.

„Papa, tu es nicht!“, „Papa bleib stehen!“. Aber nichts half.

Und dann sah ich den Ball auf die Straße rollen.

Mein Vater lief hinterher.

Und dann lag er da.

Ich schrie und weinte. Ich sank am Fenster auf den Boden. Das Gesicht voller Tränen. Zehn Minuten lag ich da. Bis ich wieder aus dem Fenster sah.

Keiner war draußen.

Ich und mein Vater waren weg, und noch nicht mal der Lastwagen stand da. Fünf Minuten stand ich noch am Fenster wie gelähmt. Bis ich oben aus meinem Zimmer ein Schreien hörte. Ich guckte zur Treppe. Ich sah einen Schatten von einem verkrüppelten Menschen, der langsam die Treppe runterging. Mein Puls wurde schneller und schneller. Ich wusste wer das war. Denn er wimmerte und sagte in Bruchstücken: „Das… war… deine… Schuld!“

Wieder liefen die Tränen über mein Gesicht, und ich versuchte ruckartig die Tür aufzureißen. Mein Vater kam humpelnd und mit blutroten Augen die Treppe runter. Er sah aus wie ein Monster. Er ging auf mich zu. Er wurde immer schneller. Ich konnte mich nicht bewegen. Er rannte schreiend auf mich zu. Gerade in dem Moment da er mich packte, verwandelte sich sein Gesicht in das Gesicht des Busfahrers und ich öffnete meine Augen.

Der Busfahrer rüttelte mich wach. Erschrocken stand ich auf. „Aussteigen Junge! Hier ist Endstation!“ rief der Busfahrer wütend.

Ohne ein Wort zu sagen ging ich zur Tür vom Bus, aber blieb stehen. Ich starrte auf die letzte Reihe des Busses. Da saß ein Mann. Er sieht aus wie mein Vater.

„Raus jetzt!“, schrie der Busfahrer.

„Was ist mit dem Mann da?“, fragte ich.

„Wovon redest du? Da sitzt niemand! Raus, ich will Pause machen!“, sagte der Busfahrer sauer.

Verwirrt stieg ich aus dem Bus. Verdammt, Ich bin zu weit gefahren, weil ich eingepennt bin. Den Rest des Weges wollte ich zu Fuß gehen, denn ich wollte nicht nochmal im Bus einschlafen. Auf dem Weg nach Hause sah ich immer wieder diesen Mann, der auch im Bus saß. Auf dem Bürgersteig, in Fenstern von Häusern, in vorbeifahrenden Autos und unter Bäumen. Immer guckte er mich an. Als ich ihm nun zum achten Mal sah und ich mir sicher war, dass er mich verfolgte, beschloss ich schneller zu gehen. Er tat das gleiche. Ich rannte. Er auch.

Als ich endlich zuhause angekommen war, sah ich mich nochmal um. Er war nirgends zu sehen. Ich ging rein und direkt hoch in mein Zimmer.

Meine Mutter klopfte an der Tür und fragte was los sei, aber ich war nicht ansprechbar. Ich schloss die Tür ab, versteckte mich unter der Decke und starrte in die Dunkelheit. Drei Tage lang. Während diesen drei Tagen habe ich durchgehend Stimmen gehört. Die Stimme meines Vaters. „Komm zu mir!“, „Ich will dich wiedersehen!“ und „Komm her!“ Mein Vater hat die Kontrolle über mich genommen.

 

Auf einmal klopfte es an der Tür. „Polizei, machen Sie auf!“

„Mach nicht auf!“, wisperte die Stimme meines Vaters in meinem Kopf.

Also tat ich es nicht und reagierte nicht auf die Polizei. Das ging so lange, bis sie anfingen die Tür einzuschlagen. Als die Tür zertrümmert war und der erste Polizist mein Zimmer betrat, schrie mein Vater in meinem Kopf: „Bring ihn um!“

Also sprang ich von meinem Bett zu dem Polizisten und schlug auf ihn ein. Ich nahm die Taschenlampe, die der Polizist am Gürtel trug, und drückte sie gegensein Auge, bis das Blut anfing aus der Wunde zu spritzen.

Meine Mutter schrie und weinte, während die anderen zwei Polizisten brüllend auf mich zu stürmten. Der eine packte mich an den Armen und hielt mich fest, während der andere nach dem verletzten Polizisten guckte. Der Polizist versuchte mich aus dem Zimmer zu zerren und zerriss dabei mein Hemd an ein paar Stellen, aber ich wehrte mich und gab ihm eine Kopfnuss, genau wie mein Vater es mir befahl. Seine Nase brach und blutete, und er fiel gegen die Bettkante, woraufhin er bewusstlos wurde. Als nächstes rannte ich zum letzten Polizisten, der gerade Verstärkung rufen wollte. Er zog seine Waffe, zielte auf mich und schoss mir ins Bein. Ich fiel zu Boden, aber spürte wegen des Adrenalins keinen Schmerz. Ich humpelte weiter auf ihn zu. Er schoss nochmal, aber traf mich nicht. Dann schlug ich ihm die Waffe aus der Hand, nahm sie auf, und schoss ihm in den Kopf.

 

3. Akt

 

Jetzt lagen drei Polizisten, zwei tot, einer bewusstlos, in meinem Zimmer. Ich war wie besessen, konnte mich nicht kontrollieren und bemerkte nicht was ich tat. Meine Mutter sah mich voller Angst an, und Liam guckte erschrocken aus seiner Zimmertür. Ich hielt inne, als mein Vater schrie: „Keine Zeugen!“

Mein Vater hatte die komplette Kontrolle über mich gewonnen, also zögerte ich nicht. Ich schoß zuerst dem noch bewusstlosen Polizisten in den Kopf, und richtete die Waffe dann auf meine Mutter, die mit Tränen in den Augen schnell zu Liam in sein Zimmer rannte. Gut für mich war, dass Liam erst acht Jahre alt war und keinen Schlüssel für sein Zimmer besaß. Also rannte ich auf die Tür zu. Sie ging aber nicht auf. Meine Mutter musste wohl Liamˋs Schrank vor die Tür geschoben haben. Ich schoß das ganze Magazin der Waffe auf die Tür ab und hörte dabei die Schreie meiner Mutter und von Liam. Ich sah, dass die Polizisten eine Axt hatten, mit der sie meine Tür aufgebrochen hatten. Ich nahm die Axt, ging auf die Tür des Zimmers meines Bruders zu und schlug sie ein.

Als ich durch die zerstörte Tür und über den umgekippten Kleiderschrank stieg, sah ich die beiden, wie sie sich in der Ecke des Zimmers versteckten.

„Du weißt was du zu tun hast, mein Sohn“, sagte mein Vater in meinem Kopf.

Ich ging humpelnd mit der Axt in der Hand auf die beiden zu. Meine Mutter versteckte Liam hinter ihrem Rücken. Sie schrie mich die ganze Zeit an:

„Alex, hör auf damit!“, „Alex was tust du?!“ und „Was ist in dich gefahren, Alex?!“

Ich habe nicht hingehört, weil mein Vater mir die ganze Zeit über sagte, ich solle es zu Ende bringen.

Ich stand jetzt vor ihr. Ich hob die Axt. Und schlug sie direkt auf ihren Kopf. Sie fiel tot um.

Liam lief weinend und schreiend aus dem Zimmer. Ich brauchte ein wenig, um die schwere Axt aus dem Körper meiner Mutter zu ziehen.

Ich hörte Liam unten laut um Hilfe schreien. Tja, er hat Pech, das die Tür immer abgeschlossen ist, und meine Mutter den Schlüssel der Haustür hat. Er ist hier in diesem Haus gefangen. Mit mir.

Endlich hatte ich die Axt. Ich humpelte aus dem Zimmer, aber fiel über den umgekippten Schrank, der vor der Tür lag. Dabei ging die Axt kaputt. Ich stand mühsam wieder auf.

Es war schwer mit dem zerschossenen Bein zu laufen, aber ich musste tun, was mein Vater mir befahl.

Als ich bei der Treppe ankam fiel ich runter und brach mir dabei beide Arme. Als ich wieder aufstand, suchte ich Liam. Er lag weinend auf der Couch. Ich war schwer verletzt und humpelte sehr langsam und mühsam in die Richtung der Couch.

Doch dann auf einmal spürte ich die Schmerzen. Alle Schmerzen.

Die Schmerzen der Schusswunde an meinem Bein, die Schmerzen der Kopfnuss an meinem Hinterkopf, die Schmerzen meiner gebrochenen Arme und all die Schmerzen der offenen Wunden, die ich mir zugezogen hatte, als ich die Treppe runterfiel.

Ich schrie auf, wälzte mich auf dem Boden und schrie und weinte.

 

Als ich dort mitten im Wohnzimmer auf dem Boden lag, sah ich in den Spiegel, der vor mir an der Wand hing. Ich sah mich. Ich sah meine Verletzungen. Ich sah mein Shirt, das von dem Polizisten und dem Treppensturz zerfetzt war. Der Anblick kam mir bekannt vor. Ich sah genau so aus wie mein Vater. Nicht mein normaler Vater. Sondern das Monster aus meinen Träumen. Gebrochene Gliedmaßen, voll mit Blut an jeder Stelle, zerfetztes Shirt und überall blutige Wunden.

Als mir klar wurde, dass ich zu diesem Monster aus meinen Träumen geworden bin, bereute ich alles. Ich bereute, dass ich meine eigene Mutter ermordet hatte, ich bereute, dass ich diese drei Polizisten ermordet hatte, und ich bereute, dass ich meinem eigenem Bruder, der erst acht Jahre alt war so etwas angetan hatte. Etwas, was ihn für den Rest seines Lebens verfolgen würde und was ihn niemals wieder normal leben lassen würde.

Wegen dieser Gedanken fing ich an zu weinen und zu schreien.

In dem Moment sah ich, wie die Haustür aufging und mein Vater eintrat. Es war nicht das Monster, sondern mein normaler Vater. Er beugte sich vor mich und sagte: „Sieh, was du getan hast, Alex. Du hast all diese Menschen ermordet, sogar Deine eigene Mutter, und wofür?” Ich schrie ihn weinend an: „Du wolltest doch, dass ich all dies tue?!”

Ohne ein Wort zu sagen, löste sich mein Vater in Luft auf und in demselben Moment wurde die Haustür aufgebrochen. Unzählige Polizisten und Sanitäter liefen durch die Haustür in das Haus.

Liam rief weinend: ”Endlich! Hilfe mein Bruder hat meine Mami und die Polizeileute getötet!”

 

Ich glaub es nicht: Liam hat tatsächlich die Polizei gerufen! Gut gemacht. 

Nachdem die Sanitäter mich und meinen Bruder in verschiedene Krankenwagen trugen, kam mein Bruder in ein Kinderheim das speziell für kleinere Kinder mit Traumata ausgebildet ist. Ich kam auf eine Intensivstation, wo ich in den OP gebracht wurde.

Während ich noch in Narkose war, hat man einen Neurologen angerufen, der dann meine Gehirnwerte gemessen hat.

Er hat herausgefunden, dass ich an sehr starker Schizophrenie leide, was wohl der Grund dafür ist, dass ich meinen Vater sehen und hören konnte.

Die nächsten zwei Wochen war ich im Koma, und meine Lebenswerte waren sehr schwach. An einem

Dienstagvormittag bin ich an meinen nicht verheilten Wunden und einem schwerem Schädeltrauma im Krankenhaus gestorben.

 

Mein kleiner Bruder Liam ist noch weitere drei Jahre in diesem Kinderheim geblieben und mit schweren Depressionen und Angstzuständen aufgewachsen.

Mit elf Jahren nahm er sich das Leben, indem er sich an einem Dienstagabend mit seinem Bettlaken erhängte.

 

Nun ist die Familie wieder vereint.

 

 

 

 

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