geschrieben von Ilja Friedensreich Ruhe.
Spätestens als ich die Krallen sah, wusste ich, dass es ein mieser Tag werden würde.
Eigentlich war es ein ziemlich guter Morgen. Ich war schön spät aufgestanden und hatte lecker gefrühstückt. Anschließend war ich ins Museum gegangen und hatte mir angeblich mit magischen Fähigkeiten ausgestattete Gegenstände angesehen. Ich wollte gerade...
Achso, Moment. Ich hab‘ mich ja noch gar nicht vorgestellt. Ich heiße Fanolos und bin zweiundzwanzig. Aber zurück zu mir und dem Museum.
Ich wollte mein Notizbuch herausholen, um mir Notizen für mein Fantasybuch zu machen, als sich mir jemandem in den Weg stellte. Er trug einen Kapuzenmantel. Die Kapuze hatte er sich tief ins Gesicht gezogen. Eine seltsame Aura der Kälte umgab ihn. Ich wich zurück und stieß mit jemandem zusammen. Als ich mich umdrehte, sah ich noch eine vermummte Gestalt. Keine anderen Leute waren zu sehen. Sie kamen näher und hoben die Hände. Doch was waren das für Hände? Widerliche Krallen, weißblaue Haut und unnatürlich lange Finger. Ich lief davon, doch wo ich auch hinlief, es erwarteten mich diese bläulichen, verhüllten Dinger. Von allen Seiten kreisten sie mich ein und stießen seltsame Laute aus, die klangen wie der Atem eines Asthmatikers mit schwerer Atemnot.
Wie viele waren es? Vielleicht zwanzig, dreißig? Ein Schrei hallte durch die Museumshalle und eine Gestalt fiel zu Boden. Sie gab den Blick frei auf die Tür, in der eine große Silhouette zu sehen war.
„Auseinander! Lasst ihn frei, oder ihr werdet alle schlimme Qualen leiden!“ Sprach die große Gestalt, die bei näherer Betrachtung immer weniger wie ein Mensch aussah. Da rannten die blauen Kreaturen los, direkt auf die gehörte Person zu, die im Türrahmen aufragte. Diese streckte die Hände aus und schleuderte eine ganze Salve gleißender Blitze!
Gut die Hälfte der Kreaturen starben direkt und zerfielen zu Asche. Weitere zerfielen unter den mächtigen Schlägen meines gehörnten Retters. In Windeseile war der Boden bedeckt von rauchenden Körpern, die langsam zerfielen. Die große Gestalt stieg über den Leichenhaufen und kam auf mich zu.
„Guten Morgen, Fanolus. Wir müssen fort. Der Tod so vieler ihrer Art wird mehr Senoare anlocken, als selbst ich sie auf einmal besiegen kann.“ Der gehörnte Riese sagte es mit solcher Gelassenheit, dass es mir fast gelangweilt vorkam. „Wer bist du, oder was bist du?“ fragte ich besorgt. „Ich bin Pheläreos, und du musst mit mir kommen.“
Hinterhalt und Diskussion
„Was bist du, und was sind das für Dinger?“ meine Stimme zitterte. „Das sind Senoare, sagte Pheläreos, und es kommen noch viel schlimmere Bestien, wenn wir nicht schnell verschwinden.“
Pheläreos sprach: CWir sollten dringend gehen. Immerhin habe ich all deine Fragen beantwortet, und...“ „Gar keine Fragen hast du beantwortet!“ „Was sind Senoare? Warum sind sie hinter mir her? Weshalb hast du mich gerettet? Warum kennst du meinen Namen? Und wer bist du genau?“ rief ich aufgeregt. „Entspann dich, Fanolus. Alles zu seiner Zeit, sagte Pheläreos und zog mich Richtung Tür. Wir liefen schweigend nebeneinander her durch die belebten Straßen von London, stiegen in die U-Bahn und setzten uns einander gegenüber hin. Pheläreos’ Hörner waren verschwunden, kaum dass wir das Museum verlassen hatten. So wurden wir nicht weiter beachtet.
„So, jetzt kannst du Fragen stellen“, sagte Pheläreos sachlich. „Wer bist du?“ fragte ich. „Ich bin Pheläreos“, erklärte Pheläreos. „Wer ist Pheläreos?“, wollte ich wissen. „Pheläreos ist ein mächtiger Djinn, der geschickt wurde, dich möglichst unverletzt zu seinem Meister zu bringen“, meinte Pheläreos. „Und warum nennst du mich bei meinem Nachnamen?“ fragte ich verwirrt. „Weil du der Einzige in deiner Familie bist, der noch diesen Namen trägt und der Namen eine besondere Geschichte hat“, sagte der Djinn geheimnisvoll.
„Die Senoare werden von den Feinden meines Meisters gesandt, um dich umzubringen, ehe du bei meinem Meister bist.“ Wir fuhren in den Bahnhof ein und wir stiegen aus. Kaum waren wir die Treppe an die Oberfläche hinaufgestiegen, schlug ein Feuerball direkt neben meinem Kopf in die Wand ein. Wir waren umzingelt von bestienköpfigen Menschen mit langen Krokodilschwänzen. Einer von ihnen trug einen Eisenspieß, auf dem ein Menschenschädel aufgespießt war.
Pheläreos stieß mich hinter einen Altkleider-Container und rettete mich so vor einem Feuerstoß. „Was waren das für Monster und wo waren all die Leute?“ Pheläreos fluchte in einer Sprache, die ich nicht kannte. Er machte seltsame Handbewegungen und ein bläulich-transparentes Schild erschien vor seiner linken Hand. Aus seinen Fingern schoben sich Krallen. „Sterbt ihr dummen Honepampeln!“ schrie Pheläreos und sprang über den Container ins Getümmel. Ich hörte Schreie und Explosionen. Nach einiger Zeit wurde ich gepackt und von Pheläreos in eine bläuliche Kuppel gezogen. Pheläreos schnaufte.
„Ich hatte sie unterschätzt. Sie sind stärker als sie aussehen.“ Sie kreisten unsere Kuppel ein und beschossen sie mit Feuerstößen. „Sutha at Etrochia Saleen“, verlangte das Monster mit dem Spieß. „Was hat er gesagt?“ fragte ich fordernd. „Er hat gesagt, ich soll dich rausrücken, wenn ich nicht vernichtet werden will“, meinte Pheläreos. „Sag ihnen, sie können uns den Buckel runterrutschen“, erwiderte ich. „Selvo ad Anetrum Etrea Sun“, rief PheläreosdenMonsternzu. Die Gesichtsausdrücke der Bestiengesichter wechselten von Entschlossenheit über Verwirrung zu Zorn. Es sah unfassbar witzig aus.
„Mela Raios Zunapra“, brüllte die Kreatur wütend. „Haha, der war gut. Für einen Moment dachte ich, du meintest das ernst“, lachte Pheläreos. „Phenapraos Etrochia“, schrie das Monster. Pheläreos Gesicht verfinsterte sich. „Kannst du kämpfen?“ fragte er und reichte mir ein Schwert, das einfach in seiner Hand aufgetaucht war. „Nein, kann ich nicht“, sprach ich verunsichert. Die Kuppel zerbrach, die Monster rannten los. Pheläreos feuerte Lichtblitze und ich schwang mein Schwert.
Pyromonga
Wir rannten die Bahnhofstreppe hinunter; hinter uns ein Haufen bösartiger Feuermonster. Man kann nicht behaupten, dass wir es nicht versucht hätten. Aber ein Kampf fünfzehn gegen zwei, oder wie Pheläreos sagte, fünzehn gegen einen, war nun mal eine schwierige Aktion. Ich wich einem Feuerball aus. Pheläreos ließ drei von ihnen mit einem Regen aus Blitzen zerfallen.
Inzwischen waren tatsächlich nur noch neun unserer Feinde am Leben. Die anderen zierten als rußgeschwärzte Leichen unseren Fluchtweg. Ein Feuer Inferno verbrannte die Wand neben mir und ich schrak zusammen. „Warum kannst du eigentlich gegen dreißig Senoare kämpfen, aber nicht gegen fünfzehn von diesen Monstern?“ hechelte ich erschöpft. „Diese Monster heißen Pyromonga“, erklärte Pheläreos überhaupt nicht erschöpft. „Und das liegt daran, dass Pyromonga zigmal so mächtig sind wie Senoare.“ „Warum sind hier eigentlich keine Menschen?“, wollte ich wissen. „Weil durch einen Manipulationszauber alle nach Hause geschickt wurden, vermute ich“, behauptete Pheläreos. „Wo wollen wir eigentlich hin?“ Ich wich einer Feuerkugel aus. „Wir müssen zu meinem Meister, das weißt du doch, Fanolus.“
Pheläreos zerstörte noch einen Pyromonga. „Allerdings wäre der Hin- terausgang ein guter Anfang.“ Wir bogen um eine Ecke. Licht erschien am Ende des Gangs. Wir sprinteten hinaus und ich sah noch, wie Pheläreos anfing zu zucken und zu leuchten. Flügel brachen aus seinem Rücken. Er packte mich und erhob sich in den Nachthimmel. Das Wutgeschrei der Pyromonga verhallte unter uns.
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